insider_2_2021

schen den einzelnen Anbietern drama- tisch variieren können. Während Kre- ditratings von Emittenten zu etwa 90 Prozent zwischen den Anbietern kor- reliert sind, sind es bei Aktien weniger als 50 Prozent. Und da ESG-Ratings auf öffentlich zugänglichen Informati- onen basieren, neigen sie dazu, Unter- nehmen zu belohnen, die die Berichts- kriterien erfüllen können – und nicht die besten Praktiken aufweisen. Daher setzen wir auf eine hauseigene Quan- tifizierungsmethodik von ESG-Faktoren auf Unternehmensebene, solange diese Mängel fortbestehen und selbst wenn es zu einer Vereinheitlichung kommen sollte. Dr. Frank Ulbricht: Wie ist es eigentlich bei Ihrem Haus um das Thema Nach- haltigkeit bestellt? Ist die Unterneh- menspolitik am Prinzip der Nachhal- tigkeit ausgerichtet? Rainer Linder: Unser Bekenntnis, ein verantwortungsbewusster Vermögens- verwalter zu sein, ist nicht neu – es ist tief in unserer Unternehmenskultur, unserer Philosophie und unserer nor- dischen DNA verwurzelt. Im Norden gibt es seit vielen Jahren ein starkes Bewusstsein für soziale Themen oder Gleichberechtigung und eine tiefe Ver- bundenheit zur Natur. Das prägt unsere nordische Unternehmenspolitik schon seit Jahrzehnten. Alexander Gerlach: Es gibt für die DWS keine Alternative, als sich voll und ganz dem Zeitalter der Nachhal- tigkeit zu verschreiben. Nichts wird uns davon abhalten, unser Ziel zu er- reichen, ESG in den Mittelpunkt unse- res Handelns zu stellen. Wir haben uns dazu bekannt, früher als das Pariser Klimaabkommen vorsieht, null Emissio- nen (Net Zero) zu erreichen. Wir haben ESG durch Smart Integration in unsere bestehende Investmentplattform im- plementiert und im Jahr 2021 werden wir unsere Produktentwicklung auf eine „ESG als Ausgangspunkt“-Strate- gie umstellen. << INSIDER-TALK 12 mentlösungen an, etwa unsere globale Klima- und Umweltstrategie oder die Global Social Empowerment Strategie. Auch im Private-Equity-Bereich sind wir aktiv. Dr. Frank Ulbricht: Wie sieht es dies- bezüglich bei AB und DWS aus? Martin Dilg: Bei AB ist Nachhaltigkeit nicht nur in den spezifischen Fonds, sondern über alle Strategien hinweg vollständig in den Investmentprozess integriert. Wir haben bereits 2013 als Unternehmen die PRI (Principles for Responsible Investing) unterzeichnet und leben auch im Umgang miteinan- der als Kollegen, im gesellschaftlichen Engagement nachhaltiges Verantwor- tungsbewusstsein vor. In der konkre- ten Umsetzung bilden die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung den wichtigs- ten Rahmen. Besonderen Fokus legen wir dabei auf die Ziele Klima, Gesund- heit und Gleichstellung. Alexander Gerlach: Wir setzen auf un- sere selbst entwickelte ESG-Engine. Diese greift auf Daten von drei genera- listischen Anbietern – MSCI ESG, ISS- ESG und Morningstar Sustainalytics – zurück und ergänzt sie durch Daten von zwei weiteren spezialisierten An- bietern. S&P TruCost ist spezialisiert auf Klima- und Wasser-Risiken und Arabesque S-Ray liefert verschiedene ESG-Kennzahlen auf AI-Basis. So grei- fen wir auf 2.500 Jahre ESG-Erfahrung von mehr als 500 ESG-Spezialisten zu und kommen so auf über 35 Mio. Datenpunkte für insgesamt mehr als 10.000 Unternehmen. Sie wandelt die verschiedenen Daten unserer ESG-Anbieter in eine konsistente Bewer- tungsmethodik um. Die ESG- Engine ermöglicht uns, sehr individuelle Lösungen – z. B. SDGs, Green Bonds, CO 2 -Re- duktion – für unsere Kunden zu entwickeln. Durch diesen einheitlichen Ansatz für alle dezidierten ESG-Publi- kumsfonds stellen wir eine im Kontext der jeweiligen Anlageklasse adäquate risikoadjustierte Rendite sicher. Dr. Frank Ulbricht: Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen greifen viele Fonds auf Datenbanken zurück (z. B. MSCI). Ist das tatsächlich ausreichend? Christian Aselmann: Generell stellt es ein Problem dar, dass unterschiedliche ESG-Datenprovider zumTeil zu gänzlich unterschiedlichen Ergebnissen bei der Beurteilung der Nachhaltigkeitseigen- schaften eines Unternehmens kommen. Für die Konzeption einer Nachhaltig- keitsstrategie oder für die Berücksich- tigung der Nachhaltigkeitsrisiken im Anlageprozess ist die Arbeit mit MSCI als primärem Datenprovider aus unse- rer Sicht ausreichend. Es ist nur wichtig, dass man nicht „blind“ allen vorliegen- den Datenpunkten folgt. Eine Plausibi- lisierung dieser Daten durch Fondsma- nager gepaart mit deren Einschätzung ist essenziell, um das Anlageuniversum nicht durch voreilige Fehlinterpretatio- nen unnötig einzuschränken. Ophélie Mortier: ESG-Scores und -Ra- tings von Dritten sind nur eine Quelle. Entscheidend ist aber eine kritische Denkweise. ESG-Scores bestimmen nicht die Liste der infrage kommenden Emittenten, aus der Portfoliomanager für die Zusammenstellung ihrer Portfo- lios auswählen können. Wir sind aktiv in unserem Dialog und Engagement mit Unternehmen, Datenanbietern und Re- search- und Investment Teams. Darü- ber hinaus führen wir gründliche Analy- sen durch, um Trends zu verstehen, die über reine ESG-Scores hinausgehen. ESG-Ratings und -Scores sind Indika- toren; sie diktieren nicht unser Portfolio- management. Dr. Frank Ulbricht: ESG-Ratings haben mitunter auch Schwächen. Wie sinn- voll und praktikabel ist eine Vereinheit- lichung zwecks Vergleichbarkeit? Martin Dilg: Unserer Meinung nach können ESG-Ratings allein aufgrund einiger Mängel Nachhaltigkeit nicht be- friedigend definieren. Es fehlt bspw. an standardisierten Methoden, sodass die Bewertungen von Unternehmen zwi- © Funtap - stock.adobe.com / studio marble - stock.adobe.com

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