insider_2_2021

ls wichtigste Orientierungsgröße an den Rentenmärk- ten gilt die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanlei- hen. Im Sommer vergangenen Jahres lag sie bei nur rund 0,5 Prozent. In der ersten Woche dieses Jahres stieg sie über die Marke von einem Prozent. Wenige Wochen später wurde die wichtige Marke von 1,5 Prozent überschritten, im März 1,7 Prozent. Einen Anstieg um gut einen Prozentpunkt hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder mal gege- ben, bspw. im zweiten Halbjahr 2016. Doch noch nie war die Ausgangsbasis so niedrig wie diesmal: Binnen acht Monaten hat sich die Rendite mehr als verdreifacht. Der Grund für den Renditeanstieg ist eigentlich erfreulich, kommt darin doch die Erwartung einer starken Erholung der Weltwirtschaft nach der Corona-Pandemie zum Ausdruck. Rohstoffpreise steigen, die Beschäftigung nimmt zu, die Ar- beitslosigkeit ab, es wird mehr verdient, vor allem aber mehr ausgegeben, sobald es wieder möglich ist. Nicht zuletzt das Die Gefahr war bekannt. Das Risiko wird seit Jahren diskutiert. Wie ein Damoklesschwert hing ein möglicher Anstieg der Zinsen über den Anleihemärkten. Aber wahrhaben wollten viele das inzwischen schlechte Verhältnis von Rendite zu Risiko nicht. Es war so lange gut gegangen. Jetzt aber erlitten die globalen Anleihemärkte binnen weniger Wochen den drittgrößten Verlust der letzten 150 Jahre. Aus Sorge vor steigender Inflation kletterten die Renditen von Anleihen. Und das, obwohl die großen Notenbanken der Welt für Rekordbeträge Anleihen aufkaufen und die Fortsetzung dieser Politik beteuern. 1,9 Bio. US-Dollar große Corona-Konjunkturpaket der US- Regierung hat den Renditeanstieg befeuert: Ein großer Teil der Hilfsgelder wird direkt an Privathaushalte ausgezahlt: „Helikoptergeld“. Die Staatsverschuldung steigt auf Rekord- höhen. Und die Preise steigen. Auch der Preis fürs Geld, der Zins, nicht zuletzt weil höhere Zinsen den absehbaren Preis- anstieg vorwegnehmen. Für die Kapitalmärkte bedeutet das eine schwierige Phase, nicht nur für die Rentenmärkte. Auch die Aktienmärkte werden von einem Renditeanstieg belastet, denn er bedeutet höhere Finanzierungskosten für Unterneh- men und eine abnehmende Attraktivität von Aktien im Ver- gleich zu Anleihen. Mit 1,74 Prozent hat die Rendite von US- Staatsanleihen die durchschnittliche Dividendenrendite von US-Aktien von 1,55 Prozent überschritten. Beruhigungsversuche durch Fed und EZB In dieser Situation wird mehr denn je jedes Wort der Noten- bank-Führung auf die Goldwaage gelegt: Die Europäische Zentralbank (EZB) bemühte sich im März auffallend darum, dem Zinsanstieg entgegenzutreten. Zur Begrenzung des Renditeanstiegs forciert sie ihr Anleiheankaufprogramm für die nächsten drei Monate. Vor allem der Kauf von Staatsan- leihen soll beschleunigt werden. Das kündigte die EZB-Spitze nach ihrer Sitzung an. Die EZB macht das unter dem Schirm ihres Pandemie-Notfallprogramms „Pandemic Emergency Purchase Programme“, kurz PEPP, das im März 2020 mit einem Gesamtvolumen von 1,85 Bio. Euro gestartet wurde. Davon wurden in den ersten zwölf Monaten 850 Mrd. Euro für Anleihekäufe verwendet. Die verbliebene Billion soll noch zü- giger eingesetzt werden. EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte klar, dass die Zentralbank auf diese Weise verhindern möchte, dass der Trend zu höheren Renditen die wirtschaft- liche Erholung bremst. Was genau mit einem deutlich höhe- ren Kauftempo und „günstigen Finanzierungsbedingungen“ gemeint ist, hielt sich die EZB ebenso offen wie die Festle- gung einer Zielgröße für die Rendite von Staatsanleihen. Ausdrücklich betonte sie, dass sie keine Kontrolle der Rendi- Anleihen 30 © geschmacksRaum® - stock.adobe.com

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