insider_2_2021
herauskämen. Die hohe Staatsverschuldung erlaube keinen weitreichenden Zinsanstieg. Gleichzeitig seien aber die dis- inflationären Effekte, die bereits seit einem guten Jahrzehnt die Inflation in Schach hielten, schwächer geworden. Barthels verweist auf die zahlreichen Treiber für steigende Inflationsra- ten in den kommenden Monaten. Schon aufgrund des Basis- effektes dürften die Inflationszahlen im Mai heftig ausfallen. Die Angst vor steigenden Inflationsraten und Zinsen belastet erfahrungsgemäß Schwellenländer noch stärker als die etab- lierten Volkswirtschaften. Die Sorge vor einem deutlichen An- stieg der Anleiherenditen hat bereits wieder Kapitalabflüsse aus Ländern wie Brasilien, der Türkei und Südafrika ausge- löst, so Berechnungen des Internationalen Bankenverbands IIF. Von November 2020 bis Anfang dieses Jahres hatte der IIF noch hohe Zuflüsse verzeichnet. Nun ziehen internatio- nale Investoren offenbar Kapital aus den Emerging Markets ab. IIF-Chefvolkswirt Robin Brooks warnt bereits vor einer Wiederholung des Taper Tantrums von 2013. Damals hatte die US-Notenbank Fed ein Zurückfahren („Tapern“) der zuvor großzügigen Anleihekäufe in Aussicht gestellt und damit das sog. „Taper Tantrum“ ausgelöst. Hauptleidtragende dieser heftigen Marktreaktion („Tantrum“) waren Schwellenländer – und könnten es wieder sein, wenn das Renditeniveau von US-Staatsanleihen als so attraktiv eingeschätzt wird, dass es zu noch größeren Umschichtungen kommt. Wer allerdings zu früh in Anleihen investiert, erleidet Kurs- verluste, solange die Renditen weiter steigen. Und genau das dürfte der Fall sein, solange eine Überhitzung der Wirtschaft möglich erscheint. Investmentlegende Warren Buffet ging in seinem jährlichen Brief an die Aktionäre auf die Situation auf den Rentenmärkten ein und bescheinigte Anleiheinvestoren sehr düstere Aussichten. << testrukturkurve betreibe. Festzuhalten bleibt aber, dass die EZB ihre Anlei- hestützungskäufe auswei- tet, während die Prognosen für Wirtschaftswachstum und Inflation steigen. Die EZB-eigene Infla- tionsprognose für 2021 wurde auf 1,5 Prozent angehoben. Bis mindestens 2023 werde man das Inflationsziel von knapp zwei Prozent pro Jahr unterschreiten. Damit wäre eine wei- terhin sehr expansive Geldpolitik gerechtfertigt. Auch die mit Spannung erwartete Sitzung der Fed brachte ein Festhalten an ihrer Politik von Leitzinsen nahe Null und umfangreichen Anleihestützungskäufen. Die zunächst höhe- re Inflation wird als vorübergehend eingeschätzt, während große geldpolitische Entscheidungen auf die vollständige Er- holung des Arbeitsmarktes ausgerichtet zu sein scheinen. Die Beschäftigung aber läuft einer wirtschaftlichen Erholung ei- ner Volkswirtschaft grundsätzlich zeitlich nach. Vollbeschäf- tigung, die gemäß der Argumentation der Fed eine weniger lockere Geldpolitik nach sich ziehen müsste, ist zumindest kurzfristig nicht zu erwarten. Erst für das Jahr 2023 erwarten die Notenbanker einen Rückgang der US-Arbeitslosenquote auf 3,5 Prozent. Davor liegt im Szenario der Fed ein kräftiger Konjunkturaufschwung: Die BIP-Wachstumserwartungen wurden für 2021 von 4,2 auf 6,5 Prozent angehoben. Die In- flation erwartet die Fed 2021 nun leicht über zwei Prozent, bevor sie 2022 auf 2,0 Prozent sinkt und auch 2023 mit 2,1 Prozent nicht problematisch wird. Das Szenario erzwingt kei- ne Erhöhung der Leitzinsen bis zum Jahr 2023. Auf die Frage in der Pressekonferenz, wann mit einer Reduktion von An- leihenkäufen gerecht werden könne, antwortete Notenbank- chef Powell in der üblichen Weise: Die Ausrichtung der Geld- politik sei ergebnisorientiert und es sei noch nicht an der Zeit, über weniger Käufe nachzudenken. Das Umfeld für Anleihen bleibt zunächst schwierig Die Kapitalmärkte schätzen die Inflationsrisiken offenbar hö- her ein. Guido Barthels, erfahrener Anleihemanager und jetzt Fondsmanager des TBF Balanced, geht vorübergehend von deutlich höheren Inflationsraten aus. Keiner traue den Zent- ralbanken zu, effektiv dagegen zu kämpfen. Sie hätten sich selbst in eine Sackgasse manövriert, aus der sie nicht mehr 31 © frank peters - stock.adobe.com
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