insider_2_2021
Seitdem holen die zuvor lange vernachlässigten Value-Werte gegenüber Growth-Aktien auf. Die Aussicht auf eine Bele- bung der Weltkonjunktur und steigende Kapitalmarktzinsen begünstigt Substanzaktien. Im letzten Quartal 2016 gab es eine vergleichbare Situation, als die Renditen anstiegen und Growth-Aktien einschließlich großer Pharmawerte schlechter abschnitten. AllianceBernstein meidet Aktien von Impfstoffherstellern wie Moderna und Novavax. Diese befänden sich laut Wijsman in einer „binären Situation“: Entweder werden deren Impfstof- fe bald zu einem Erfolg – oder sie kommen nicht rechtzeitig. Wijsman weist darauf hin, dass die Zahl der Impfstoffanbieter weltweit auf 70 bis 80 steigen dürfte, und fragt: „Gibt es einen Markt für so viele Produzenten? Wir glauben, dass das nicht der Fall ist.“ Auch Lofruthe sieht beim Thema Impfstoffe noch Fragezeichen: „Das hängt vor allem davon ab, wie viele wann zugelassen werden und wo die Preisentwicklung hingeht.“ Gewinner einer Normalisierung Besser absehbar sind andere positive Effekte. Auch Dr. Cyrill Zimmermann , Head of Healthcare Funds & Mandates bei Bellevue Asset Management, erwartet positive Effekte in verschiedenen Bereichen. Von einer Normalisierung dürften zunächst die Bereiche Medtech, darunter Implantateherstel- ler, und Klinikbetreiber profitieren, weil aufgeschobene Ein- griffe nachgeholt werden können. Im Bereich Diagnostik und Testgeräte hat es eine Entwicklung moderner Schnelltests gegeben, die auch künftig zur Identifikation von viralen Er- krankungen eingesetzt werden können. Unter dem Eindruck der Pandemie wurden in verschiede- nen Ländern Investitionsprogramme und Budgets für eine Verbesserung der Gesundheitsvorsorge verabschiedet. Dies dürfte Lieferanten von Ausrüstung zugutekommen. Den größten Umbruch sieht Zimmermann aber im Bereich der Digitalisierung: Telemedizinspezialisten und weitere Digital- Health-Unternehmen haben 2020 Fortschritte erzielt, für die sie normalerweise drei bis vier Jahre gebraucht hätten. „Auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen wirkte Covid-19 wie ein Katalysator“, bestätigt auch Lofruthe. mRNA: Leistungsnachweis der Biotechnologie Aber auch die Rolle der Biotechnologie wird weiter stark wachsen. Der erste, zudem hochwirksame und weitgehend nebenwirkungsfreie Corona-Impfstoff von Pfizer und Bion- tech basiert auf der mRNA-Technologie, einem gentech- nischen Verfahren, das sich zunutze macht, dass Boten- moleküle, sog. „Messenger-RNA“, kurz mRNA, genetische Information innerhalb der Zellen zu den Ribosomen bringen, wo sie in Proteine übersetzt wird. Dr. Zimmermann sieht nach eigenem Bekunden darin „eine Technologieplattform, die uns noch lange begleiten wird und die hoffentlich verschiedenste neue Ansätze bringen wird – bis in die Krebsforschung hinein“. Auch andere Experten erwarten, dass dieser erste praktische Einsatz der mRNA-Technologie einen Meilenstein darstellt, der sich als wegweisend erweisen wird. Zunächst dürfte es möglich sein, recht schnell auf Virusmutationen zu reagieren, indem der Impfstoff angepasst wird. Darüber hinaus öffnet sich ein großes Feld für Innovationen, das Heilungschancen eröffnet bei Krankheiten, die bislang als unheilbar galten. Dazu gehören manche Autoimmunerkrankungen. Biontech erforscht bereits den Einsatz entsprechend program- mierter mRNA gegen multiple Sklerose. Spezielle mRNA-Bo- tenstoffe könnten auch gegen verschiedene Krebsarten ein- gesetzt werden, indem sie menschliche Zellen dazu bringen, Antikörper gegen Tumorzellen zu bilden. Ingmar Hoerr, Grün- der von Curevac und mRNA-Pionier, sagte in einem Interview, man könne auch an Diabetes oder Demenzerkrankungen denken. Man müsse einfach nur verstehen, was die Ursachen einer Krankheit sind, dann könne man die RNA entsprechend programmieren. Aber die mRNA-Methode ist nur ein Ansatz von vielen biotechnologischen Methoden. Inzwischen stecken in zwei Dritteln aller neu zugelassenen Medikamente Innova- tionen aus der Biotechnologie. Fazit: Das Anlageuniversum „Healthcare“ bietet aufgrund sei- ner zahlreichen und sehr verschiedenen Unterbranchen Raum für unterschiedliche Strategien. Die grundsätzlichen Treiber für die Branche bleiben die steigende Lebenserwartung und damit die Alterung der Weltbevölkerung, der veränderte Le- bensstil und nicht zuletzt Innovationen, die immer häufiger mittels biotechnologischer Verfahren gefunden werden. Für Anleger öffnet sich damit eine Fülle an Investitionsmöglichkei- ten, von konservativen, breit diversifizierten Basisinvestments bis zu spezialisierten, volatileren Opportunitäten. << 43
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