insider_2_2021
© Jenny Sturm - stock.adobe.com 46 über die Protektor AG – ein Sicherungsfonds der Versiche- rungswirtschaft, der bereits 2002 gegründet wurde, um die Einrichtung aufzufangen. Vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen lagern die bAV auf externe PK aus. Leistungs- kürzungen sind auch bei der Sanierung durch Protektor zu- lässig. Kann der Arbeitgeber diese Verluste wegen Insolvenz nicht ausgleichen, haben die Arbeitnehmer Verluste. Die BaFin genehmigt Kürzungen nur, wenn die Eigenmittel der Kasse ausgeschöpft sind. Über 35 Kassen stehen aktuell unter Aufsicht der BaFin, das ist ein Viertel aller PK. Voraus- sichtlich werden sie ihre Leistung bei anhaltendem Niedrig- zins nicht dauerhaft erbringen können, finanzielle Unterstüt- zung von Trägern oder Aktionären ist quasi ausgeschlossen. Tickende Zeitbomben in der Bilanz Wie Christian Willms , Vorstand der ConceptIF Group AG er- läutert, haben Unternehmen aktuell bereits Risiken, von de- nen sie nichts ahnen. Zum einen, wenn die von dem Unter- nehmen zugesagte und über die PK rückgedeckte Leistung (Rente oder Alterskapitalleistung) von dieser nicht in der bei Erteilung der Zusage garantierten Höhe erbracht wird, weil etwa die laufende Garantieverzinsung abgesenkt wird. Zum anderen, wenn bei Betriebsrentenempfängern die Renten seitens der PK gekürzt werden. In beiden Fällen ergeben sich für das Unternehmen Nachfinanzierungsverpflichtungen (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG). Arbeitgeber haften für die gekürzten Renten und müssen sie auffüllen, bei der PK sowohl bei der beitragsorientierten Leistungszusage als auch bei Beitrags- zusage mit Mindestleistung. Eine weitere Falle birgt die Bilanzierung. „Sobald ein Unter- nehmen durch Kürzung der Leistung der PK zur Nachfinan- zierung verpflichtet ist, besteht automatisch eine weitere Verpflichtung, nämlich: Der Ausweis der Unterdeckung in der Handelsbilanz“, unterstreicht Willms. Grundlage ist der Artikel 28 EGHGB. Die Summe muss von einem Wirtschaftsprüfer berechnet werden. Wenn Unternehmen die Unterdeckung nicht ausweisen, könnten höhere Gewinne ausgeschüttet werden als vorhanden oder eine bestehende Überschuldung könnte nicht ausgewiesen werden. Geschäftsführer und Vor- standsmitglieder könnten haftbar gemacht werden. Und: Die- se Risiken könnten schon jetzt in den Bilanzen stehen. Kann ein Vermittler noch zum Durchführungsweg PK raten? Ja, sagt Klaus Stiefermann , Geschäftsführer der Arbeitsge- meinschaft für bAV e. V. (aba). PK böten Arbeitgebern wei- terhin eine sehr effiziente Möglichkeit, versicherungsförmige bAV zu finanzieren. Bei der bAV hafte der Arbeitgeber immer subsidiär. Das Risiko dafür sei abzuwägen. „Wie immer bei so bedeutsamen Entscheidungen muss daher genau hinge- schaut werden – auf die PK an sich und den betreffenden Arbeitgeber, die Konstellation muss passen, alle relevanten Parameter müssen transparent sein“, so Stiefermann. Allge- meingültige Aussagen seien nicht möglich, da die Landschaft der PK sehr vielfältig sei und der anhaltende Niedrigzins jeg- liche Garantien für alle schwierig und teuer mache. Über Ver- mittler angebotene PK kämen dem Angebot einer Direktver- sicherung sehr nahe. Die anstehende neuerliche Absenkung des Höchstrechnungszinses könne dazu führen, dass die für Arbeitgeber risikoärmste Variante, die Beitragszusage mit Mindestleistung, nicht mehr angeboten werden könne, wenn nicht begleitend der Umfang der Mindestgarantie, die aktuell im Wesentlichen im Beitragserhalt bestehe, gesenkt werde. Dieses Problem hätten auch Direktversicherungen. Ein klares Nein zu PK kommt dagegen von Stephan Seidenfad, Geschäftsführer der transparent-beraten GmbH. Regulierte Kassen seien kaum noch zur Vermittlung verfügbar. Viele äl- tere und alte Verträge, hohe Zinsversprechen und kaum oder kein Neugeschäft mit niedrigerem Zinsversprechen nähmen den PK jede Chance auf Heilung. Die Deregulierung gebe den PK zwar Freiheiten, die deren Chancen am Kapitalmarkt er- höhten, schaffe damit aber andere Risiken als bei regulierten Kassen. Auch Norman Wirth, Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung e. V., empfiehlt PK nicht vorbehaltlos. Vermittler, die eine PK ohne genaue Detailprüfung empfählen, seien „auf dünnem Eis“. Die Probleme der PK resultierten fast immer aus einer Kombination aus alleinigem bAV-Geschäft ohne Ausgleich, Niedrigzinsphase, Nutzung von alten Ster- betafeln mit zu niedriger Lebenserwartung sowie geringem Neugeschäft. Eine Direktversicherung sollte daher mindes- tens mit betrachtet werden. BaFin: Pensionskassen – Entwicklung von Pensionsversicherungen im Jahr 2019 (Stand: Nov. 2020) Anwärter Invaliden- und Altersrentner Hinterbliebene Quelle: BaFin 2020: Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Erstversicherungsunternehmen – 2019, Tab. 250 8.095.261 5.046.031 3.049.230 – 8.317.978 5.237.148 3.080.830 – 1.201.861 864.262 337.599 – 1.233.431 876.395 357.036 – 163.106 12.523 142.710 7.873 172.985 13.173 151.911 7.901 Anfangsbestand Männer/Witwer Frauen/Witwen Waisen Endbestand Männer/Witwer Frauen/Witwen Waisen
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