Insider Magazin Ausgabe1

23 fälle verbleiben. Um die dadurch enorm ausgeweitete Bilanz der Zentralbank wieder zu verkleinern, müsste auch die Europäische Notenbank ihre Anleihebe- stände verkaufen, wie die Fed dies seit geraumer Zeit betreibt: Sie verkauft An- leihen für 50 Mrd. Dollar pro Monat zu- rück in den Markt. Dieses „Quantitative tightening“ entzieht dem Kapitalmarkt viel Liquidität und belastet damit nicht nur unmittelbar das Marktsegment der entsprechenden Staatsanleihen, son- dern indirekt auch alle anderen Seg- mente des Kapitalmarktes. Weil es auch 2019 kaum möglich sein wird, mit einer risikolosen Euro-Verzin- sung den Kaufkraftverlust des Geldes auszugleichen, geschweige denn eine positive Realrendite zu erzielen, dürfte die Suche nach besseren Renditen wei- terhin solche Bereiche einschließen, die grundsätzlich mit höheren Risiken ver- bunden sind: Staatsanleihen schlech- terer Bonität, Fremdwährungsanleihen und Unternehmensanleihen – all diese erfordern aktive Titelauswahl und Ti- ming. Die Kursverluste an den Aktienmärkten ab Oktober 2018 waren in mancher Hinsicht eine überfällige Bewertungs- korrektur, teilweise die Vorwegnahme rückläufiger Unternehmensgewinne. Vorausgegangen war eine Konzen- tration auf eine zunehmend kleinere Zahl vermeintlicher Qualitäts-Wachs- tumsaktien, insbesondere der soge- nannten FAANG-Aktien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google), deren Geschäftsmodelle aufgrund einer De- facto-Monopolstellung konjunkturun- abhängiges Wachstum versprachen. Als diese „Wachstumsstories“ Kratzer erhielten, musste dies eine weitrei- chende Bewertungskorrektur auslösen. Dass aber auch ungleich niedriger be- wertete zyklische Aktien unter die Rä- der gerieten, zeigt die stark gestiegene Sorge vor einer Rezession – ein Szena- rio, das sich noch gar nicht von den um den Jahreswechsel herum vorliegenden volkswirtschaftlichen Daten ablesen lässt. Angesichts weitreichend ausge- lasteter Kapazitäten in den USA dürfte der Druck auf die Lohnkosten hoch blei- ben. Lohnsteigerungen würden einer- seits die gut laufende US-Konjunktur über steigende Konsumausgaben stüt- zen, andererseits aber auf den Gewinn- margen der Unternehmen lasten. Eine weitere Margenausweitung erscheint zumindest kaum möglich. Kurs hängt von den Einflüssen der politischen Entscheidungen ab Ob sich die Kursverluste ab Oktober 2018 als zwischenzeitliche Korrektur oder Beginn eines auch 2019 prägen- den Bärenmarktes erweisen werden, dürfte vom Ausmaß der wirtschaftli- chen Abkühlung abhängen. Das wahr- scheinlichste Szenario geht dabei von einer „Normalisierung“ desWirtschafts- wachstums und der Geldpolitik aus. Dies bedeutet zwar auch einen langsa- meren Anstieg der Unternehmensge- winne und eine Verschärfung des Liqui- ditätsumfeldes, begründet aber keinen Ausverkauf an den Aktienmärkten, wie er teilweise schon zu sehen war. Ange- sichts der Unwägbarkeiten dürfte der Ausgang der Streitigkeiten um Zölle und um den Brexit größeren Einfluss auf die Aktienmärkte haben. Global be- trachtet bleibt eine Eskalation der Han- delsstreitigkeiten zwischen China und den USA das wichtigste Abwärtsrisiko. Die Europäische Union muss zudem ihr Verhältnis zu Großbritannien klären. Weil seit Oktober bereits pessimisti- sche Szenari- en eingepreist wurden, sind die Möglichkeiten positiver Über- raschungen ge- stiegen. Wenn die Spannungen zwischen den USA und China nachlassen und der Brexit vernünftig geregelt wird, kann man bessere Aussichten für die Welt- wirtschaft und die Aktienbörsen erwar- ten. Die Unternehmensgewinne dürften dann das erreichte Rekordniveau halten oder sogar noch steigern können. Dabei erfährt die Konjunktur in vielen Volks- wirtschaften Unterstützung durch eine bessere Binnennachfrage. US-Aktien im Seitwärtsmodus? Gerade die US-Wirtschaft ist stark auf den heimischen Konsum ausgerichtet, der von der gestiegenen Beschäfti- gung profitiert. Längerfristig wären in den USA allerdings höhere Unterneh- mensinvestitionen notwendig, um eine Produktivitätssteigerung zu ermögli- chen. Die US-amerikanischen Investiti- onszahlen waren 2018 eher schwach und keine gute Ausgangsbasis für die Erträge in den nächsten Jahren. US- Unternehmen haben dagegen Rekord- summen in Aktienrückkaufprogramme gesteckt. Dies wird sich wahrscheinlich so nicht wiederholen lassen. Zudem müssen US-Unternehmen möglicher- weise ihre internationalen Verflechtun- gen verringern, wenn Trump seine Iso- lationspolitik fortsetzen sollte. Die günstige Bewertung spricht vor allem für europäische Aktien, die um Investments in asiatische – darunter auch japanische – Aktien ergänzt wer- den sollten. Auch die Emerging Markets haben unangemessen hohe Kursverlus- te erleiden müssen und erscheinen für langfristig denkende Anleger insgesamt attraktiv. << © Kurhan - stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy NzA3OTc4