insider Ausgabe 03/2020 Online

er Sachverständigenrat erwartet für 2020 einen Wachstumseinbruch um 6,5 Prozent, folgert aber, dass die Erholung der deutschen Wirtschaft bereits eingesetzt habe. Nun gut, hoffen wir das Beste und vertrau- en der wissenschaftlichen Expertise. Denn auch mit Blick auf den Verlauf an den Aktienmärkten könnte der Eindruck ent- stehen, dass die Krise ad acta gelegt wurde. Vom Tief Mitte März bei 8.600 Zählern hat sich das deutsche Leitbarometer DAX bis auf 12.500 Punkte (23.06.) emporgeschwungen. Ist damit alles schon eingepreist? Kapitalmärkte nehmen oftmals volkswirtschaftliche Entwicklungen vorweg Mittel- bis langfristig wieder gute Aussichten, das sollte zumindest die Marktteilnehmer erfreuen. Dies, da die Börse tendenziell die Zukunft antizipiert. Sicherlich hat das beherzte Engagement der Notenbanker und Politiker welt- weit (monetär und fiskalpolitisch) in diesem Zusammenhang ent- scheidend geholfen. Sozusagen das Fundament für den Anstieg der Kurse gebildet. „Der aktuelle Aufschwung an den Kapitalmärk- ten ist vor allem ein Resultat der massiven fiskalpolitischen Inter- ventionsmaßnahmen zur Krisen- bewältigung. Fundamental zeigt sich der Aktienmarkt scheinbar als gesamtwirtschaftlicher Früh- indikator mit einem Vorlauf von zwei bis drei Jahren“, sagt Rolf Kieckebusch , Vorstand Kirix Ver- mögensverwaltung AG, an dieser Stelle. zu Beginn des Abverkaufs an den Börsen, notierte der V-DAX (der sogenannte Angstindex) bei 78 Punkten. Mittlerweile hat er sich um die 35 Punkte wieder eingependelt, was aber in der Rückschau der vergangenen Jahre dennoch durchaus „hoch“ ist. Eine Frage, die sich dennoch stellt, ist die nach der Vorteilhaftigkeit einzelner Branchen. Technologie und defensive Aktien als Treiber des Börsenaufschwungs Im Wesentlichen wurde die Börsenrallye der vergangenen Monate zuvorderst von jenen Branchen getragen, die ohnehin schon vergleichsweise teuer waren (auf Basis des Kurs-Ge- winn-Verhältnisses (KGV)), während die billigen eher gemie- den wurden. Es sind eben „verrückte“ Zeiten. Bei einem nor- malen Aufschwung wären jene Sektoren mitunter erste Wahl, die aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Performance or- dentliche Nachholpotenziale haben. Technologiewerte sind in den zurückliegenden Wochen ein Renner gewesen. Hierzu heißt es in einem Marktkommentar von Columbia Th- readneedle Investments (Juni 2020): „In dieser Phase der Iso- lation erkennen wir eindeutig, wie stark wir auf Technologie- plattformen und soziale Medien angewiesen sind. Kurzfristig könnten Online-Plattformen wie der Suchmaschine Google, YouTube und Facebook bzw. Instagram zwar Werbeeinnah- men wegbrechen, auf längere Sicht werden diese Plattformen allerdings vom stärkeren Anstieg der Nutzerzahlen und vom zunehmenden Interesse profitieren.“ Das Handelsblatt beti- OPTINOVA-Vorstand Armin Sabeur fügt hingegen ein- schränkend an, dass wir die Auswirkungen auf die einzelnen Unternehmen erst in der zweiten Jahreshälfte richtig sehen werden, und insistiert, dass der jetzige Aufschwung auf man- gelnde Anlagealternativen zurückzuführen sei. „Die bereits bestehende Geldflut der Zentralbanken wird jetzt fiskalisch von den Regierungen in einen Schuldentsunami verwandelt, was bei dem jetzigen Zinsniveau keine guten Aussichten für Anleiheinvestoren bedeutet“, so Sabeur. Optimistischer zeigt sich Florian Bohnet , Head of Research and Portfolio Manage- ment bei der DJE Kapital AG. „Der monetäre Fak- tor wird weiter positiv auf den Aktienmarkt wirken. Der Stimulus kommt simultan aus allen wichtigen Regionen: USA, Europa, Japan und auch aus China. Überall wird wegen des Coronavirus angekur- belt. Das Virus wird früher oder später verschwinden, aber das Geld bleibt im System. Gut für Aktien.“ Vorteilhaftigkeit der Aktie als ren- table Asset-Klasse – das leuch- tet gemeinhin auch im Sommer 2020 ein. Gleichwohl gilt, dass die nahezu teilweise schwin- delerregende Erholungsrallye der vergangenen Wochen keine überschäumende Begeisterung für deutsche Aktien auslöst – mitunter scheinen die Märkte die Geschwindigkeit der wirtschaftli- chen Erholung zu überschätzen. Einigkeit besteht bei den Exper- ten wohl aber dahingehend, dass wir in den kommenden Monaten durchaus höhere Schwankungs- breiten/Volatilitäten sehen könn- ten. Zur Einordnung: Mitte März, Wir erleben turbulente Zeiten. Corona hat die Welt nachhaltig verändert und in den Grundfesten erschüttert. Ende mit Milliardenüberschuss und einer Arbeitslosenquote, die sich weiter im Sinkflug befindet. Im Sommer 2020 befinden sich Millionen deutscher Arbeitnehmer in ungewollter Kurzarbeit. Die wirtschaftlichen Schäden und Folgewirkungen der weltweiten Pandemie sind derweil noch nicht bezifferbar. Denn machen wir uns nichts vor: So eine Krise war einfach noch nie da. Der ökonomische Einbruch lässt sich nicht so schnell wieder aufholen, wie manche derzeit wohl hoffen. Die viel zitierte V-Erholung, also dass wir wirtschaftlich ganz schnell wieder auf das alte Niveau (vor Corona) kommen, ist wohl eher eine Illusion. 26 telte eine Story mit „Die großen US-Techkonzerne betreiben digitalen Kolonialismus“ und legte dar, wie Mega-Konzerne wie Amazon, Facebook, Apple und Microsoft als Gewinner der Corona-Krise ihre Macht unentwegt mit schier unglaub- lichen finanziellen Ressourcen ausbauen. Und diese Rallye der Technologieaktien scheint weiterzuge- hen, zumindest vorerst (siehe Infografik). Der Nasdaq 100 kletterte am 23.06. zu einem neuen Rekordstand empor. Da- von sind Dow Jones und S&P 500 noch weit entfernt. Beispiel Apple-Aktie: Dieser Wert markierte unlängst ein neues All- zeithoch und zeigte sich von der Krise quasi unbeeindruckt. Gegenüber dem November 2018 sehen wir einen Wertzu- wachs von mehr als 60 Prozent. Das ist schon atemberau- bend. Auch Healthcare ist seit geraumer Zeit ein großes Thema und zugleich Treiber des Börsenaufschwungs. „Die Aktien des Gesundheitswesens haben sich in diesem Jahr bis An- fang Mai deutlich besser entwickelt als alle anderen Sekto- ren. Während der MSCI World Index in diesem Zeitraum um über 15 Prozent gefallen ist, gab der Gesundheitssektor nur um 3,4 Prozent nach. Die Sektoren mit der schlechtesten Per- formance, Finanzen und Energie, fielen gar um 29,5 Prozent respektive 39,7 Prozent. So zeigte sich der defensive Sektor der Gesundheitsaktien wieder einmal als sicherer Hafen in einem stürmischen Marktumfeld“, kommentiert Maximilian- Benedikt Köhn , Analyst für den Sektor Healthcare bei der DJE Kapital AG. 27 Quellen: Refinitiv, DWS Investment GmbH; Stand: 27.05.2020 * vom 26.02.2020 bis zum 26.05.2020 ** Kurs-Gewinn-Verhältnis vom 19. Februar, am Höchststand des Marktes basierend auf den Gewinnschätzungen für die vergangenen zwölf Monate KGV* KURSVERÄNDERUNG ÜBER 3 MONATE* IN % „TECH GIBT DIE PACE VOR“ Bewertung vs. 3-Monatswertentwicklung der S&P-500-Subsektoren 20 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 10 15 20 25 30 Kommunikationsdienstleistungen Informationstechnologie Zyklische Konsumwerte S&P 500 Nicht-zyklische Konsumwerte Versorger Energie Industrie Finanzwesen Roh-, Hilfs- & Betriebsstoffe Gesundheitswesen © Krakenimages.com - stock.adobe.com

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