insider Ausgabe 03/2020 Online

ner sich selbst erfüllenden Prophe- zeiung winkt. Schließlich dürfte sich der gesellschaftliche Fokus nach der Corona-Krise noch stärker auf Gesundheit, Klima und Bildung richten und sind viele Konjunkturpakete auf nationaler und internationaler Ebene – man denke nur an den „Green Deal“ der europäischen Union – an nachhaltige Kriterien gekoppelt. Sie begünstigen entsprechend aufgestellte Unternehmen. Angesichts der Dekarbonisierungsbestrebungen vieler Asset-Manager darf man bereits annehmen, dass die Allokationsverschiebungen zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und Infrastruktur, die poli- tisch gewollt sind, dauerhaft Wirkung zeigen. Fazit: So gesehen sind die aktuellen Studienergebnisse als Momentaufnahmen zu betrachten, die zwar eine Tendenz erkennen lassen, mitnichten aber den Beweis einer Gesetz- mäßigkeit antreten. Zu dieser These könnten Umfragen unter Hedgefondsmanagern und institutionellen Anlegern passen, laut derer sich immer noch fast drei Viertel der Befragten außerstande sehen zu beurteilen, ob sich durch nachhaltige Investments tatsächlich dauerhaft bessere oder schlechtere Renditen erzielen lassen. Dessen ungeachtet dürfte die Krise in vielen Fällen ein interessanter Gradmesser dafür gewesen sein, wie schnell und flexibel Unternehmensführungen in Stresssituationen reagieren und welche Verhaltensweisen sie mit Blick auf das „S“ in ESG, also die soziale Komponente, an den Tag legen. Der Umgang mit Stakeholdern wie Mitarbei- tern, Lieferanten, Kunden, Vermietern und Mietern sprach in vielen Fällen Bände. Schließen wir mit BlackRock-Chef Larry Fink, der unlängst in einem vielbeachteten Brief an seine Aktionäre schrieb: „Wenn wir diese Krise überstanden haben und Anleger ihre Portfo- lios anpassen, haben wir die Möglichkeit, eine nachhaltigere Welt zu schaffen.“ << 41 40 Dass die Investmentbranche immer nachhaltiger wird, dürfte angesichts der fortschreitenden Regulierungspläne der EU, der klimapolitischen Notwendigkeit und des vorherrschenden gesell- schaftlichen Konsenses inzwischen außer Frage stehen. Die Vor- bereitungen für die Taxonomie sowie die neuen Offenlegungs- und Beratungspflichten im Zuge des Aktionsplans laufen auf Hochtou- ren. Es stellt sich eigentlich nicht mehr die Frage, ob die Fondswelt „grüner“ wird, sondern nur noch, wie (schnell). ie hoch der auf der Branche in diesem Zusam- menhang ruhende Anpassungsdruck derzeit ist, belegen zwei aktuelle Umfragen unseres Hauses. In der einen befragten wir 42 „Country-Heads“, Vorstände, Geschäftsführer und „Head of Sales“ unterschiedlicher Asset- Manager nach den größten Treibern der Fondsindustrie in der Gegenwart. 23, also mehr als die Hälfte, nannten „ESG“ und „Nachhaltigkeit“ und erreichten damit die höchste erkennbare Übereinstimmung. Bei der Frage nach den Produkttrends fiel das Ergebnis sogar noch deutlicher aus. Hier nannten 27 die Begriffe „ESG“, „Nachhaltigkeit“ oder „Impact“. In einer anderen Studie, an der mehr als 1.500 Finanzdienst- leister teilnahmen, fragten wir: „Vor der Corona-Krise be- herrschte das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ die Medien und auch die Finanzbranche regelrecht. Erwarten Sie, dass die Nachhaltig- keit in den nächsten Jahren noch so präsent bleibt?“ 52 Pro- zent beantworteten diese Frage mit „Ja“, 25 Prozent erwarten sogar eine noch stärkere Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Zukunft. Lediglich ein knappes Viertel unterstellt eine abneh- mende Bedeutung infolge der Corona-Krise. Prä der Nachhaltigkeit Angesichts dieses „Prä“ der Nachhaltigkeit in der Fondsbran- che erklärt sich die Fülle der Untersuchungen, die in den letz- ten Monaten unternommen wurden, um der alten Frage nach- zugehen, inwieweit nachhaltige Selektionsfilter die Renditen zugrunde liegender Portfolios positiv oder negativ beein- flussen. Lud doch der reale Stresstest eines Marktabsturzes © ileezhun - stock.adobe.com © Elnur - stock.adobe.com HABEN SICH NACHHALTIGE INVESTMENTSTRATEGIEN WÄHREND DER CORONA-KRISE AUSGEZAHLT? bisher ungesehenen Ausmaßes im Verlauf des Monats März regelrecht dazu ein, die Auswirkungen nachhaltiger Aus- schlusskriterien und ESG-Filter auf Anlageentscheidungen zu überprüfen. Exemplarisch erwähnt seien an dieser Stelle vier veröffentlichte Studienergebnisse. ARABESQUE > So kommt bspw. die Asset-Management- Boutique Arabesque zu dem Schluss, dass Unternehmen mit besserer ESG-Performance während der Corona-bedingten Verkaufsoffensive (14. Februar bis 24. März 2020) durch- schnittlich höhere Renditen zeigten als Industrie-Mitbewerber mit schlechterer ESG-Performance. Der höchste sektorspezi- fische Renditeunterschied ließ sich im Bereich „Communica- tion Services“, „Consumer Disc.“ und „Energy“ erkennen. FIDELITY > Fidelity International untersuchte mehr als 2.600 Unternehmen und konstatierte, dass sich Anleihen und Akti- en von Unternehmen mit einem guten ESG-Rating in der Krise besser entwickelten als solche mit einer schlechten Nachhal- tigkeitsbewertung. „Unsere Untersuchungsthese, dass Un- ternehmen mit guten ESG-Bilanzen auch über bessere Ma- nagementteams verfügen und sich in einer Krise daher besser als der Markt entwickeln, wurde klar bestätigt“, erklärte man. Die Studien lassen erkennen, dass Aktien mit einem Fidelity ESG „A-Rating“ in den 36 Tagen zwischen dem 19. Febru- ar und dem 26. März 2020 durchschnittlich um 3,8 Prozent- punkte besser als der S&P 500 und Aktien mit einem Fide- lity ESG „E-Rating“ durchschnittlich etwa 7,4 Prozentpunkte schlechter als der Index abschnitten. Ein ähnlicher Effekt ließ sich auf der Rentenseite beobachten. Unternehmensanleihen mit einem A-Rating verloren im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 23. März 2020 durchschnittlich 9,23 Prozent an Wert, Unternehmensanleihen mit C-Rating verloren 17,4 Prozent. Fidelity sieht sich vor diesem Hintergrund in der Annahme bestärkt, dass es einen grundsätzlichen Zusammenhang zwi- schen starken Nachhaltigkeitsfaktoren und Renditen gibt. INVESCO > Auch bei Invesco wurden unterschiedliche ESG- gefilterte Portfolios in ihrem Krisenverlauf untersucht, u. a. eine Strategie, die in Titeln mit dem höchsten ESG-Score long und Werten mit dem niedrigsten ESG-Score short ging. Er- gebnis: Das Ausmaß der Outperformance der ESG-Portfolios war zwar bescheiden, aber erkennbar. „Unsere Ergebnisse signalisieren, dass die Integration von ESG-Risiken helfen kann, das Verlustrisiko eines Port- folios zu mindern.“ SCOPE > Die Ratingagentur Scope schließlich untersuch- te mehr als 2.000 passiv und aktiv gemanagte Aktienfonds mit Vertriebszulassung in Deutschland. Dabei wiesen die ESG-gefilterten Portfolios im ersten Quartal 2020 im Schnitt geringere Verluste aus als konventionell verwaltete Publi- kumsfonds. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Aktiv gema- nagte nachhaltige Fonds schlugen sich in den untersuchten Vergleichsgruppen „Welt“, „Europa“ und „Schwellenländer“ besser als entsprechende „ESG-Indexfonds“. Die Ausnah- me stellt lediglich die Vergleichsgruppe „Nordamerika“ dar. Als mögliche Gründe für diese Entwicklungen führt Scope die folgenden an: „Nachhaltige Aktienfonds sind oft defen- siv positioniert, da sie in Qualitätsunternehmen mit starkem ESG-Profil investieren, die auch in Krisenzeiten relativ stabi- le Erträge aufweisen.“ Besonders günstig wirkte sich zudem aus, dass die Manager entsprechender Fonds oftmals in zy- klischen Branchen wie Energie, Rohstoffen und Industrie, die besonders hohe Kurseinbußen erlitten, untergewichtet bis nicht investiert sind. Auch das hohe Gewicht des Gesund- heitssektors machte sich bezahlt. Will sagen? Mit anderen Worten: Die Belastbarkeit und Aussagekraft dieser aktuellen Untersuchungen ist nicht nur angesichts der Kürze des betrachteten Zeitraums mit Vorsicht zu genießen, sondern auch mit Blick auf die Art und Weise, wie einzelne Sektoren von den Auswirkungen des globalen Lockdowns besonders belastet oder begünstigt wurden. Will sagen: Eine ebenso kurzfristige Betrachtung einer Phase globaler kon- junktureller Erholung im Zuge staatlicher und monetärer Hilfs- maßnahmen könnte in der näheren Zukunft vorübergehend auch genau gegenteilige Ergebnisse zutage fördern. Die Frage nach dem Performancemehrwert oder -nachteil bleibt also trotz neuer Erkenntnisse noch unbeantwortet, indes mit Tendenz zu der Annahme, dass sich Risiken mit ESG-Filtern begrenzen lassen und somit eine dauerhafte Outperformance gegenüber Portfolios möglich ist, die diese unberücksichtigt lassen. Von der sozialen und ökologischen Überrendite ganz zu schweigen.Zumal die Schützenhilfe ei-

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