insider Ausgabe 02/20 Online
22 Die aktualisierte Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) tritt im August 2020 in Kraft. Die zwingend notwendigen Anpassungen im Arbeitsablauf sollten eigentlich die Praxis beherrschen. Tatsächlich bestimmt aber eine andere Entwicklung die Diskussion: die für den Jahreswechsel 2020/21 avisierte Überleitung der Aufsicht auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). eit Ende 2019 liegt der Entwurf eines Gesetzes vor, der nun im März in einer Kabinettssitzung beschlossen wurde. Mit einer Umsetzung ist deshalb – trotz mas- siver Kritik der Branche – zu rechnen. Der freie Vertrieb wird derzeit von den Gewerbebehörden oder IHKs beaufsichtigt. Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass daraus eine organisa- torische Zersplitterung der Aufsicht folgt, die sich nachteilig auf Einheitlichkeit und Qualität auswirken kann. Zudem sei aufgrund der zunehmenden Komplexität des Aufsichtsrechts eine zentralisierte Übertragung auf die fachlich spezialisierte BaFin sachgerecht. Eingehender FinVermV-Check-up empfehlenswert Diese Einschätzung hat Kritik hervorgerufen, allen voran von den Industrie- und Handelskammern. Dort verweist man auf die jahrelange Erfahrung und hohe Spezialisierung in der Fachaufsicht sowie die enge Verbindung zum lokalen Finanz- vertrieb. Welche Seite die besseren Argumente beanspru- chen kann, hängt maßgeblich von der Sichtweise ab. Fakt ist allerdings, dass bereits so wesentliche Schritte unternommen wurden, dass ein vollständiges Abrücken unwahrscheinlich ist. Der Praxis ist deshalb eine Auseinandersetzung mit den wahrscheinlichen Veränderungen dringend zu empfehlen. Die aus der FinVermV bekannten Regelungen sowie § 34 f/h GewO sollen weitgehend unverändert in das Wertpapierhan- delsgesetz (WpHG) überführt werden. Zukünftig sollen Finanzanlagenvermittler dann Finanzanla- gendienstleister heißen. Die zulässigen Vertriebsprodukte ändern sich hingegen nicht. Vermittler sollen eine bestehende Erlaubnis behalten können. Es ist aber vorgesehen, dass sie fristgebunden eine Selbsterklärung einreichen müssen, die dezidierte Rechnungslegung über vermittelte Finanzanlagen, Kundenanzahl, Provisionsvolumen etc. erfordert. Eine solche Erklärung wird zukünftig jährlich elektronisch einzureichen sein, um eine anlassbezogene Prüfung zu ermöglichen. Alternative Haftungsdach Die BaFin arbeitet umlagefinanziert, sodass mit erheblich hö- heren Fixkosten zu rechnen ist. Der konkrete Aufwand lässt sich gegenwärtig kaum taxieren, die vom Gesetzgeber ge- nannten Zahlen werden jedoch vielfach für zu niedrig erachtet. Von mehreren Tausend Euro pro Jahr ist jedoch auszugehen. Da ausgehend vom jährlichen Honorarvolumen Gruppen ge- bildet werden, kann es bei einer Überschreitung von Schwel- len zu erheblichen Mehrbelastungen kommen. Auch aus die- sem Grund wird eine Marktbereinigung prophezeit. Gerade für Vermittler, die nur in kleinerem Umfang tätig sind, bietet das neue Gesetz Chancen. Sie können sich Vertriebs- gesellschaften anschließen, sozusagen „Haftungsdächern light“. Diese funktionieren ähnlich wie bestehende Haftungs- dächer, allerdings speziell für den freien Finanzvertrieb. Dies ermöglicht eine Reduzierung des administrativen, wirtschaft- lichen und haftungsrechtlichen Aufwands. Es kommt eine große Veränderung auf die Branche zu Die Vereinheitlichung der Aufsicht ermöglicht grundsätzlich eine Professionalisierung des freien Vertriebs, die aber sicher- lich auch mit Geschäftseinstellungen einhergehen wird. Be- reits heute ist das Arbeitsumfeld aufgrund stetig ansteigender Anforderungen vonseiten des Gesetzgebers, aber auch we- gen des Risikos zivilrechtlicher Haftung für den klassischen Einzelkämpfer kaum noch darstellbar. Gerade der Anschluss an eine Vertriebsgesellschaft sollte als Königsweg zwischen Eigenständigkeit und Strukturzusammengehörigkeit erwogen werden. << Alexander Pfisterer-Junkert Rechtsanwalt BKL Fischer Kühne + Partner E-Mail: pfisterer-junkert@bkl-law.de Telefon: +49 89 2441 688 - 0 © ra2 studio - stock.adobe.com / Daniela Schmitter
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