insider 01/2021 online

© j-mel - stock.adobe.com 24 Der 2018 beschlossene EU- Aktionsplan zu Sustainable Finance (https://ec.europa.eu/ info/business-economy-euro/ banking-and-finance/sustainable- finance_de) ist sicherlich ein wich- tiger Meilenstein dieser Entwicklung. Die niedergelegten Petitionen beinhalten u. a. die Einführung eines Sustainable-Finance- Klassifikationsrahmens, die Überarbeitung von Veröffentli- chungspflichten, transparentere Informationsmöglichkeiten für Kleinanleger und die Entwicklung offizieller europäischer Nachhaltigkeitsstandards. Auch die Einführung eines EU- Ecolabels ist dort erstmalig fixiert. Verbraucher kennen das sog. Ecolabel etwa für Textil- oder Reinigungsprodukte. Der dortige Zertifizierungsansatz soll nun auf solche Finanzprodukte übertragen werden, die als verpackte Kapitalanlagen- und Versicherungsprodukte un- ter die PRIIPs-Regulierung fallen. Sicherlich wirkt auch die Corona-Pandemie sozusagen als Katalysator und hat das Umwelt-, das Sozial- und das gesellschaftliche Bewusstsein der Anleger nicht geschmälert, im Gegenteil: Die andauernde Krise fördert die Anlagen in nachhaltige Investments. Kurz- um: Ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig – ein Dreiklang, der mitunter die Zukunft maß- geblich mitprägt. Orientierungshilfen Um sich im „Nachhaltigkeitsdschungel“ zurechtzufinden und entsprechende Empfehlungen zu geben, sind Klarheit, Ein- heitlichkeit und Transparenz letztlich unabdingbar. Ein Kritik- punkt zielte daher auf das Definitions-Wirrwarr beim Schlag- wort Nachhaltigkeit ab. Tatsache ist, dass es bis dato keine allgemein verbindliche oder rechtliche Definition des Begriffs „nachhaltige Geldanlagen“ gibt. Der Einsatz von ESG-Krite- rien lässt sich folglich weiter oder enger definieren. Die Re- gulierungsinitiativen auf europäischer Ebene wollen zu einer allgemeingültigen Begriffsdefinition gelangen. In der nun in Kraft getretenen und seit dem 1. Januar 2022 anzuwenden- den Taxonomie-Verordnung (https://eur-lex.europa.eu/legal- content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R0852&from=DE) wird verbindlich festgelegt, wann eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Sie ist Richtschnur für Investoren. Damit soll dem „Green Washing“ Einhalt geboten werden. „Nur mit einer allgemeingültigen Definition von Nachhaltig- keit, die alle Kapitalanlageklassen von Versicherern abdeckt, kann ein sog. ‚Green-Washing‘ vermieden werden. Wir erhof- fen uns durch die regulatorischen Anforderungen, insbeson- dere durch die Taxonomie-Verordnung und die Transparenz- Verordnung, allgemeingültige Definitionen auf europäischer Ebene“, bemerkt Christoph Bohn , Vorstandsvorsitzender ALH Gruppe (Dachmarke der ALTE LEIPZIGER und HALLESCHE). Diesbezüglich etwas skepti- scher zeigt sich Jens Göhner , Leiter Produkt- und Vertriebsmar- keting Vorsorge und Investment bei der Stuttgarter Lebensversiche- rung a. G. Für ihn wird es auch künftig unterschiedliche Standards geben. „Die Assetklassen und Produkte sind sehr unter- schiedlich in ihrer Konstruktion – im nationalen wie im internationalen Vergleich. Mit dem Problem unter- schiedlicher Standards ist die Finanzbranche nicht allein. Das beste Beispiel ist der Lebensmittelbereich. Auch dort existiert nicht der ‚eine‘ Ökostandard“, gibt Göhner zu bedenken. Ratings als Unterstützung – wenn man diese hinterfragt Einen Wegweiser zur Durchdringung diverser Produktan- gebote bieten tendenziell auch ESG-Ratings. Nachhaltig- keitsratings erfreuen sich folglich zunehmender Populari- tät. Auch hier tummeln sich allerdings zahlreiche Anbieter (MSCI, Morningstar, ISS-oekom u. a. m.) mit unterschied- lichen Bewertungsmodellen. Gemeinsam ist, dass keine finanziellen Kennzahlen in dieses Rating einfließen. Doch als Gradmesser sind Ratings oder entsprechende Siegel durchaus hilfreich. Dabei sollte der Berater idealerweise über Detailkenntnisse verfügen. „Auch hier gibt es viele ver- schiedene Ansätze, ‚Nachhaltigkeit‘ zu definieren. Deshalb ist es wichtig, sich mit allen Ratings oder Siegeln einmal ausführlich auseinanderzusetzen, um selbst eine entspre- chende Einschätzung zu erlangen“, so Gottfried Baer , Ge- schäftsführer der MehrWert GmbH, die sich seit Jahren auf nachhaltiges Investment spezialisiert hat. Davon ist auch Dr. Frank Ulbricht , Vorstandsmitglied der BCA AG und Vorstandsvorsitzender der BfV Bank für Vermö- gen AG, überzeugt, der zudem betont, wie wichtig das Bera- tungs-Know-how in diesem Zusammenhang ist. „Um für das Beratungsgespräch bestmöglich gewappnet zu sein und dem Kunden einen Mehrwert zu bieten, ist profundes Wissen über die vielschichtige Thematik nachhaltigen Investierens unab- dingbar. Bedarf und Angebot müssen in Einklang gebracht werden. Auch für diese Prozesse verfügen wir intern über die notwendigen technischen und fachlichen Lösungen, die den Beratungsaufwand minimieren“, betont Dr. Ulbricht. Die Pläne für die Etablierung eines EU-Ecolabels sind durchaus ambitioniert. Mitunter würden nur wenige Fonds überhaupt in die engere Wahl kommen, was zu einer Be- schränkung des verfügbaren Anlageuniversums seitens der Kundschaft führen könnte. DWS-Vertriebsleiter Breiting geht folglich davon aus, dass das Ecolabel eine grüne Nische am Ende der sogenannten „dark green“-Produkte nach Artikel 9 der Offenlegungsverordnung einnehmen werde – vergleich- bar bspw. mit dem „demeter“-Siegel aus der Lebensmittel- industrie.

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