insider 01/2021 online
© candy1812 - stock.adobe.com ie Entwicklung begann mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers im Jahr 2008. Die Bank hatte sich ausgerechnet mit festverzinslichen Wertpapieren schlechter Bonität in einem unverantwortlichen Ausmaß völlig verspekuliert. Die US-Re- gierung beschloss, sie insolvent gehen zu lassen. Es war der Start einer Finanzkrise, die sich schließlich weltweit ausbrei- tete. Um diese Krise zu bewältigen, unterstützten Notenban- ken, zuvorderst die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB), zielgerichtet die Finanzindustrie. Dabei griffen sie zum probaten Mittel der Zinssenkungen. Sie erfolg- ten seitdem Schritt für Schritt bis in den negativen Bereich. Welche Wirkung haben Zinssenkungen? Zinssenkungen wirken sich direkt auf die Ertragslage der Geschäftsbanken, Volksbanken und Sparkassen aus. Diese können überschüssige Liquidität bei der Zentralbank zu deren Zinsbedingungen „parken“. Die EZB setzte diesen Zins im Juni 2014 auf einen Wert von minus 0,1 Prozent fest. Nach wei- teren Senkungen beträgt er seit September 2019 minus 0,5 Prozent (siehe Infografik). Im Ergebnis bezahlen Institute Geld für den Transfer von Spareinlagen ihrer Kunden zur EZB. Hat- ten die Geschäfts- und Privatbanken die Weitergabe dieser Negativzinsen an ihre Kunden lange gescheut, hat sich diese Einstellung inzwischen geändert. So werden Kosten, die für liquide Einlagen bei der EZB entstehen, vielfach direkt oder indirekt an die Anleger durchgereicht. Damit ist das Zeitalter des Strafzinses für Sparer eingeleitet. Ein Zinsanstieg auf einen nennenswerten positiven Betrag ist erst dann zu erwarten, wenn eine kräftige und nachhaltige Wirtschaftserholung erfolgt ist. In Zeiten der Corona-Krise ist davon nicht auszugehen. Ausmaß und Dauer der Pandemie haben der Zinsentwicklung das „i-Tüpfelchen“ aufgesetzt. Es ist zu erwarten, dass das Zinsniveau noch einige Zeit im ne- gativen Bereich verharren wird. So hat die Corona-Krise dazu geführt, dass die Verschuldung vieler Staaten deutlich ange- stiegen ist. Die Staatsschuldenquote entwickelt sich in vielen Ländern weiter negativ. Das hohe Schuldenniveau lässt sich nur aufgrund der Zinssenkungen finanzieren. Erinnern Sie sich noch an das Sparschwein? Kinder lernten mit ihm das Sparen. Gut gefüllt wurde es beim heimischen Kreditinstitut geschlachtet. Auf dem Sparbuch eingezahlt gab es für das Guthaben Zinsen und Zinseszinsen. Ebenso erfolgte mit Beginn der Ausbildung der Abschluss des ersten Bausparvertrags. Er schlug gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Kunde erhielt einen attraktiven Sparzins und später einen günstigen Darlehenszins, der auf Basis des angesparten Eigenkapitals als Baustein für einen solide finanzierten Immobilienkauf diente. Wertpapierinvestments waren vermeintlich spekulativen Investoren vorbehalten. Ein Anlageverhalten, das sich durch die Zinsentwicklung unlängst verändert hat. 28 Quelle: https://www.euribor-rates.eu/de/ezb-leitzins/ EZB-Zinsanpassungen seit 2008 3,5% 3,0% 2,5% 2,0% 1,5% 1,0% 0,5% 0,0% -0,5% -1,0% 07.2008 03.2010 11.2011 07.2013 03.2015 11.2016 07.2018 03.2020
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