insider 01/2021 online
zu gewährleisten. Zu diesem Zweck fordern die beiden Be- hörden einheitliche Transparenzstandards für Methoden, in- terne Kontrollen, den Umgang mit Interessenkonflikten und die Kommunikation mit den zu bewertenden Unternehmen. Überdies raten die beiden Institutionen in ihrem Positionspa- pier, die Aufsicht über die nachhaltigen Ratingagenturen bei der EU-Wertpapierbehörde ESMA aufzuhängen und die fort- schreitende Konsolidierung innerhalb dieser Branche im Auge zu behalten. Es gelte, Abhängigkeiten von einigen wenigen Anbietern zu vermeiden. Gäbe es keine Ratings für Fonds, müsste man sie erfinden Bei allen mahnenden Fingern, die regelmäßig rund um das Thema Ratings gehoben werden, und bei aller auch berech- tigten Kritik muss man anmerken: Gäbe es keine Ratings für Fonds, müsste man sie erfinden. Sie werden gebraucht, um den Marktakteuren, insbesondere den Laien unter den Anle- gern, Orientierung zu bieten. Entscheidend kommt es wie so häufig im Leben darauf an, wie man mit einer Sache umgeht und was man daraus macht. Es gilt zu verstehen, dass Ra- tings allenfalls Prognosen, eher noch Anhaltspunkte für eine zukünftige Entwicklung eines Finanzproduktes darstellen, mitnichten aber eine Garantie. Ferner gilt es, Geschäftsmo- delle zu hinterfragen und zu verstehen, um mögliche Inter- essenkonflikte zumindest zu kennen. Wer hat das Rating in Auftrag gegeben und bezahlt? Überdies sollte man die Kategorisierungen der Ratings und ihre Bewertungssystematiken verinnerlicht haben. Nur so vermeidet man, die berühmten Äpfel mit Birnen zu verglei- chen, und versteht, dass nicht jeder Stern oder jede Medaille, die in relativen Bewertungsverfahren vergeben werden, eine Auszeichnung sind. Und schließlich sollte man sich auch ge- gen jenes Marketinggetöse immunisieren, das jedes Jahr rund um die Verleihungen von Rating-Awards ertönt. Sie ziehen die Medienwelt an und begünstigen nicht selten eine gewisse Prozyklik in der Berichterstattung, bevor die Aus- zeichnungen in die Trophäenschränke der Gewinner wan- dern und dort verstauben. Nicht ganz zu Unrecht – zeichnen die Pokale doch eben die Leistung von gestern aus und nicht die von morgen. << 73 © Minerva Studio - Fotolia zumindest zwei Dinge verstehen: welche Systematik der je- weiligen Bewertung zugrunde liegt und was die Ergebnisse im Einzelnen aussagen. Anderenfalls können diese Weg- weiser, als die man Ratings verstehen sollte, auch in die Irre führen. Ein Umstand, dessen sich jeder Nutzer eines Ratings immer bewusst sein sollte und der den Gedanken nahelegt, mehrere „Ratings“ bei der Beurteilung eines Produktes her- anzuziehen, um Aussagen zu vergleichen und Informationen, wo möglich und nötig, miteinander zu verbinden und zu ver- dichten. Von den „qualitativen Ratings“, also eingehenden Beurtei- lungsverfahren, die auch Strategie- und Managerwechsel berücksichtigen, die Prozesse, das Volumen und die Kosten eines Fonds hinterfragen und mit einer Wahrscheinlichkeits- aussage für die Zukunft verbinden, sollten die „quantitati- ven Ratings“ oder auch „Rankings“ unterschieden werden. Sie verkörpern lediglich die blanke Sortierung ausgesuchter Produkte nach bestimmten Merkmalen wie bspw. der Wer- tentwicklung, der Volatilität oder den Kosten innerhalb einer Vergleichsgruppe in der Vergangenheit. Die Geschichte der Ratings (abgeleitet vom englischen „to rate“, abschätzen, bewerten) und ihrer ersten Anbieter wie Moody und Poor reicht zurück bis in die Zeiten des ameri- kanischen Eisenbahnbaus Mitte des 19. Jahrhunderts, als es Investoren schwerfiel, aufgrund räumlicher Distanz und fach- licher Kenntnis die Pläne, die Integrität und die Bonität jener Gesellschaften zu beurteilen, die sich ihnen zur Geldanlage andienten. Später weitete sich das Bewertungsuniversum auch auf andere Unternehmen und Finanzinstrumente aus, u. a. auf Fonds. Fondsratings sind keine Kreditratings Nicht ganz zu Unrecht weisen Fachleute in diesem Zusam- menhang bei aller Ähnlichkeit der Vorgehensweisen auf die Unterscheide zwischen Kredit- und Fondsratings hin. Sie mo- nieren, dass Erstere vorausschauende Urteile bezüglich kon- kreter Ausfallwahrscheinlichkeiten darstellen, während Fonds- ratings aus der Vergangenheitsperformance ohne direkten Zusammenhang auf die zukünftigeWertentwicklung schließen oder die Anleger doch zumindest gerne in ihrem Glauben be- stärken, es zu können. Neben klassische Anbieter von (Fonds-)Ratings traten in den vergangenen Jahren auch immer mehr Agenturen, die Nach- haltigkeitsratings anbieten. Angesichts ihrer wachsenden Bedeutung verwundert es nicht, dass sich die französische (AMF) und die niederländische Finanzmarktaufsicht (AFM) für eine Regulierung von ESG-Datendienstleistern starkma- chen. Ziel ist es laut eigenen Angaben, Kapitalfehlallokatio- nen und Greenwashing zu vermeiden und den Anlegerschutz
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