insider 04/2020 online
fiskalpolitische Programme nie ge - kannten Ausmaßes ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Mit den aktuel - len Indexständen nehmen wir einiges vorweg, was an Gewinnwachstum für die kommenden beiden Jahre erbracht werden könnte, daher gehen wir mit etwas mehr Vorsicht in die kommenden Wochen. Frank Ulbricht: Könnte ein Anstieg der Corona-Neuinfektionen die Euphorie am Aktienmarkt bremsen? Carsten Roemheld: Der Anstieg an Neuinfektionen ist so lange verkraftbar für die Märkte, solange die schweren Erkrankungen und Todesfälle nicht in gleichem Maße zunehmen und damit zu Engpässen bei der medizinischen Versorgung führen. Da wir nicht von einem erneuten generellen Lockdown ausgehen, spielt das Thema weniger eine Rolle an den Aktienmärkten als zu Beginn der Pandemie. Frank Ulbricht: Sind die Fundamen- taldaten generell mit den Kursständen noch in Einklang zu bringen? 23 überaus beherzte Eingreifen von Fis - kal- und Geldpolitik, um die negativen Folgen der Rezession abzufedern. Die Aktienmärkte haben das entschlossene Handeln der Politik mit einer Erholung quittiert, die sich Ende März wohl kaum jemand vorstellen konnte. Die Folgen der Rezession werden uns genauso wie die Kosten der Rettungspakete noch auf Jahre beschäftigen. Für Anleger gehö - ren das Nullzinsumfeld sowie mögliche Steuererhöhungen genauso dazu wie größere Ausfallrisiken dank gestiegener Verschuldung. Andreas Sauer: In der Tat wird das Jahr 2020 uns lange in Erinnerung bleiben! Ein Virus bringt die westliche Wirt - schaftswelt zum Stillstand, das war undenkbar. Die Märkte haben mit ei - nem scharfen und schnellen Einbruch reagiert, um dann Ende März bis Ende August den Großteil der Verluste fast wieder auszugleichen. Die (kleine) Kor - rektur der letzten Wochen war erwartet und notwendig, insbesondere bei den US-Tech-Aktien. Thorsten Schrieber: Bei der Betrach - tung der DAX-Entwicklung sollte man auch einen Blick in die Zeit vor Corona wagen. Denn die Entwicklung Anfang des Jahres war von einem überkauf - ten Sentiment geprägt. Dann kam die Corona-Welle und war der erste Grund für eine Korrektur. Mit dem Lockdown und den damit verbundenen ökonomi- schen Problemen führte dies Mitte März zu einem absoluten Sell-off und rund 8.400 Punkten im DAX. Year-to-date ist aus DAX-Sicht nicht viel passiert. Wir gehen aber davon aus, dass trotz der vielen fundamentalen Probleme eine weitere Steigerung des DAX (liqui - ditätsgetrieben) bis ins Frühjahr 2021 hinein möglich ist. Carsten Roemheld: Ich gehe davon aus, dass die Luft für die globalen Aktien - märkte nach der signifikanten Erholung seit den Tiefständen im März deutlich dünner wird. Wir sind weit davon ent - fernt, dass alle Sorgen verflogen sind, sie wurden lediglich durch geld- und Andreas Sauer: Ja, im Grunde schon. Anleger und damit der Markt bewer - ten an der Börse täglich die vorhande - nen Informationen, bilden ihre Meinung bzw. Erwartung und setzen sie in An - lageentscheidungen um. Wichtig ist dabei, dass alle Erwartungen aus vor - handenen Informationen gebildet wer - den. Niemand ist grundlos optimistisch oder pessimistisch. Daraus folgt unsere Überzeugung, dass die Performance von Asset-Klassen jederzeit ökonomi- sche Wirklichkeiten widerspiegelt, auch wenn es natürlich temporär Über- und Untertreibungen geben kann. Nach den Tiefstständen im März haben sich die Konjunkturdaten schneller erholt, als viele erwartet haben. Dies hat die Rallye beflügelt und rechtfertigt auch die aktu - ellen Bewertungsregionen. Der Markt, die Politik und die großen Institutionen wie IWF, OECD oder Zentralbanken gehen davon aus, dass die wirtschaft - lichen Folgen der Corona-Krise durch die vielen Maßnahmenpakete begrenzt bleiben. Die Analysten erwarten für das dritte Quartal 2021 S&P-500-Gewinne auf Vorkrisenniveau. Wir messen täg - lich ökonomische Wirklichkeiten und leiten daraus diszipliniert ein Portfolio aus Aktien, Anleihen und Rohstoffen ab. Auf unserer Homepage www.ansa- derfonds.de finden Interessierte täglich aktuelle Makro-Daten der Weltkon - junktur. Die Fonds-Strategie ist in zehn Schritten einfach erklärt. Frank Ulbricht: Wie schützt man sich idealerweise bei heftigen, abrupten Kursabschlägen? Thorsten Schrieber: Kursrückschläge haben unterschiedliche Ursachen, das haben uns Crashs oder Korrekturen wie 1987, 2000 oder 2007/2009 sowie der 11. September 2001 gezeigt. Daher ist es kaum möglich, ein Patentrezept zu liefern. Sind die Rückgänge allerdings auf Basis fundamentaler, monetärer und markttechnischer Basis identifizier - bar, dann bedarf es eines Asset-Mana - gers, der in der Lage ist, Cash-Quoten aktiv zu steuern. Das muss nicht immer der physische Verkauf von Aktien sein, Dr. Frank Ulbricht ist Bankbetriebswirt (Bankakademie) und promovierter Wirtschaftsjurist. Seit 2010 ist er im Vorstand der BCA AG und seit 2019 Vorstandsvorsitzender der BfV Bank für Vermögen AG, deren Rechtsvorgängerin, die BCA Bank AG, er vor rund zehn Jahren mit aufgebaut hat. Davor war er u. a. in Führungspositionen in Wertpapierhandelsbanken als Handels- und Finanz- sowie als Interimsvorstand tätig.
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