insider 04/2020 online

in Blick in die Glaskugel: Machen wir doch einfach die berühmte Probe aufs Exempel. Welche Schlussfolge - rungen hätte man schon Anfang März aus der sich abzeichnenden weltweiten Pandemie, spätestens aber im Rahmen des dann folgenden Lockdowns ziehen können? Eine Beeinträchtigung globaler Lieferketten, Tendenzen einer Deglobalisierung, ein größeres Gesundheitsbewusstsein und eine wachsende Nachfrage nach Medizingütern, hohe Inves - titionen in die Erforschung von Wirk- und Impfstoffen, ein - geschränkte Messe-, Flug- und Reiseaktivitäten mit entspre - chenden Auswirkungen auf Hotels, Fluggesellschaften und Veranstalter, eine (Zwangs-)Digitalisierung an den Arbeits - plätzen und im privaten Freizeitverhalten (Shoppen, Gaming, Streaming von Filmen und Serien), von denen der Online- und Versandhandel, die elektronische Unterhaltungs- und Kom - munikationsindustrie sowie die Anbieter von IT-Infrastruktur und elektronischem Zahlungsverkehr profitieren sollten. Es stand zu erwarten, dass die Corona-Krise im Zuge der ver - stärkten Verlagerung von Arbeitsplätzen in die heimischen Arbeits- und Wohnzimmer und einer Unterbrechung des Einzelhandels ihre Spuren mit zeitlicher Verzögerung an den Immobilienmärkten hinterlassen würde, dass die Zahl der In - solvenzen und Arbeitslosen steigen würde und dass Staaten wie Notenbanken alles daransetzen würden, dem entgegen - zuwirken. Man durfte davon ausgehen, dass sich bereits ver - schuldete Staaten noch stärker verschulden würden als zuvor, viele Unternehmen ihre Liquiditätsreserven würden anzapfen müssen und Dividendenausschüttungen vielfach gekürzt und Aktienrückkäufe tendenziell eher zurückgestellt würden. Worauf hätte man dann also setzen sollen? Richtig, eine gesunde Mischung aus Cash, Gold und Quali - tätsaktien ausgesuchter Branchen wie z. B. Technologie und 26 Glaubt man André Kostolany, sind „2 mal 2 an der Börse niemals 4, sondern 5 minus 1“. „Man muss“, da war der Altmeister sich sicher, „nur die Nerven und das Geld haben, das minus 1 auszuhalten.“ Wie absehbar waren die Auswirkungen der Corona-Krise vor diesem Hintergrund auf einzelne Sektoren und Regionen und ließ sich mit diesem Wissen an der Börse Geld verdienen? Die Antwort muss im Nachhinein betrachtet mindestens einmal „Jein“ lauten, wahrscheinlich aber doch eher noch „Ja“. Pharma/Healthcare. Und wer noch konsequenter gewesen wäre, hätte Automobilhersteller, Fluggesellschaften, Hotelketten, Reiseveranstalter und Ölwerte früh - zeitig leerverkauft. War es so einfach? Am Ende muss man sagen, mehr oder weniger, ja. Zumindest für diejenigen Inves - toren, die früh genug und rasch handelten und sich entschlossen, auf breiter Front in die Sektoren zu investieren. Wer auf Einzeltitel setzte, konnte auch danebengreifen, wie bspw. der Fall Wirecard zeigt. Zahlungsabwickler war schon richtig gedacht, aber die Einzeltitelselektion erwies sich als unvorteilhaft. Und es ist auch keineswegs so, dass die Kurse jedes Impfstoffherstellers oder Online-Shops durch die Decke gingen. Teilweise verloren ganze Subbranchen vermeintlicher „Gewinner-Sektoren“ entgegen den Erwartungen an Wert, wie bspw. die Entwicklungen bei einigen Krankenhausbetrei - bern und Prothesenherstellern belegen. Was hätte es gebracht? Die sektorale und regionale Fondsbilanz zur Jahresmitte sprach bereits Bände. Mit Abstand die höchste Wertent - wicklung verzeichneten schon damals laut der Ratingagentur SCOPE „Aktien Goldminen“ mit 21,7 Prozent (die negativen Realzinsen sind einer der wichtigsten Treiber für den Gold - preis), gefolgt von „Aktien Technologie Welt“ (13,7 Prozent), „Aktien Telemedien“ (3,7 Prozent) und „Aktien Gesundheits - wesen Welt“ (3,4 Prozent). Der Rest, abseits chinesischer Aktien und Staatsanleihen guter Bonität mit und ohne Wäh - rungsgewinne, verbrannte Geld. „Aktien Rohstoffe und Ener - gie“ verloren im Schnitt der Fondsvergleichsgruppe binnen sechs Monaten stolze 15 Prozent. Bis in den Herbst hinein haben sich die Effekte sogar noch weiter verstärkt. Der Dow Jones Internet Composite legte seit Jahresanfang inzwischen stolze 36 Prozent zu, der Nasdaq Index 21 Prozent, der Goldpreis 28 Prozent, Goldminenak - tien 46 Prozent und der Nasdaq Biotech 5,4 Prozent. Zum Vergleich: Der MSCI World schwankte zuletzt um die Nulllinie und lag, da Dollar-notiert, aus Sicht europäischer Investoren sogar leicht im Minus. Und der Preis für Öl (Brent) notiert der - zeit satte Minus 39 Prozent unter seinem Eröffnungskurs im Januar. Wer hat profitiert? Erfreulich viele. Aber leider gemessen an der Gesamtgrup - pe der Sparer immer noch viel zu wenige. Für die Profiteure erwiesen sich vor allem drei Umstände als glücklich. Zum ei - nen, dass mehrere der Gewinnerbranchen und -themen der Corona-Krise bereits vorher von vielen Asset-Managern als sogenannte Megatrends identifiziert wurden und an Inves - toren regelrecht vermarktet wurden. Entsprechende Fonds - © jirsak - stock.adobe.com

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