insider 04/2020 online

ie Kursentwicklung an den Ak - tienmärkten seit Februar dieses Jahres überraschte vor allem mit einem: mit der Geschwindigkeit, mit der zunächst der Crash und dann die Kurserholung abliefen. Und so hat der Corona-Crash bei einem Blick auf die Nettoveränderung der Indexstände we - nig verändert. Doch die Erfahrungen, die Menschen in diesen Monaten ge - macht haben, wird ihr Anlageverhalten in Zukunft mitprägen. Vieles, was vor - her als selbstverständlich gegeben war und nicht mehr hinterfragt wurde, ist in der neuen Normalität nicht mehr mög - lich, nicht mehr gewünscht oder nicht mehr sinnvoll. Verändertes Anlegerverhalten Das hohe Tempo des Kurseinbruchs hat viele Aktienanleger überfordert. Sowohl die Baisse von 2000 bis 2003 als auch die von 2007 bis 2009 hatte dem Ri - sikomanagement Zeit gelassen, auf Ab - wärtstrends zu reagieren. Das Muster des Corona-Crashs war aber anders, eben das eines Crashs und nicht eines Bärenmarktes, der sich über viele Mo - nate hinzieht. Der März 2020 erinnerte den Autor dieses Textes eher an den Hohe Zuflüsse in Geldmarkt- und Ren - tenfonds zeigen auch die Verunsiche - rung vieler Privatanleger. In vielen Fäl - len haben sie aus Aktien- in Zinsfonds umgeschichtet, ungeachtet der Zinsen nahe Null. Die Rückgaben bei Aktien - fonds im Crash und dann nach der Er - holung im Sommer resultieren aus Sor- gen, das Chance-Risiko-Verhältnis der Aktienmärkte habe sich verschlechtert. Dass Neuanlagen in hohem Umfang Zinsfonds zugeflossen sind, ist wohl Ausdruck eines verstärkten Wunsches, sich finanzielle Reserven anzulegen. Während die Rücklagen derjenigen, die direkt von der Pandemie bzw. den Lockdown-Maßnahmen getroffen wur - den, schnell schrumpften, hat die Krise volkswirtschaftlich insgesamt den ge - genteiligen Effekt: Es wird mehr ge - spart. Und insbesondere in den USA fühlten sich sogar viele Privatanleger ermutigt, mit ihren Ersparnissen stärker zu spekulieren. So war vor allem beim Online-Broker Robinhood, der über seine aggressi - ve Preispolitik höhere Marktanteile bei US-Privatkunden gewonnen hat, zu beobachten, dass viele überwiegend unerfahrene Privatpersonen direkt in Einzelaktien investieren und dabei eher die spekulativen Investments, auch gehebelte Instrumente, bevorzugten. Auch das ist eine Folge des Crashs: Nicht zuletzt angesichts eines Mangels an verzinslichen Alternativen versuchen sich Privatanleger an der Direktanla- ge. Bevorzugt wird dabei auf schnelle Gewinne spekuliert. Erst mit Abstand Oktober 1987: Der Ausverkauf nimmt binnen weniger Tage panische Züge an, was entsprechend hohe Kursverlus - te nach sich zieht, ist dann aber rasch vorbei. Diese für die meisten jetzt aktiven In - vestoren neue Crash-Erfahrung hat viele von ihnen stark verunsichert – vom privaten Selbstentscheider mit kleinem Aktiendepot bis zum Manager milliar - denschwerer Fonds. Tendenziell haben gerade die großen Investmentgesell - schaften zu träge reagiert: Wie andere institutionelle Anleger auch senkten sie ihre Aktienquoten im März deutlich, oft nahe den Tiefstkursen. Und viele von ihnen rechneten mit vielen schwachen Monaten, einem Bärenmarkt, misstrau - ten der ersten Kurserholung noch im April und Mai und ließen die niedrigsten Kurse an den Aktienmärkten als Ein- stiegsgelegenheit weitgehend unge - nutzt. Im Ergebnis erwiesen sich damit einmal mehr die „zittrigen Hände“ als Verlierer: Wer sich im März von der Weltunter - gangsstimmung anstecken ließ, dürfte den schlechtesten Zeitpunkt für Aktien - verkäufe getroffen haben. Auf der Käuferseite standen im März und April bei den Fondsmanagern erfahrene „Überzeugungstäter“, die Übertreibung der Märkte als solche erkennen. Zu finden waren diese eher bei kleinere Fondsboutiquen, wo nicht Gremien über Strategie und Taktik ent - scheiden, sondern die Entscheidungs- wege kürzer sind. Die Corona-Pandemie hat binnen weniger Monate die ganze Welt stark verändert. Die Aussicht auf Impfstoffe nährt die Er- wartung einer Rückkehr zu einer Welt ohne Lockdown. Doch die neue Normalität wird sich wohl auf Dauer von der Welt vor Co- rona unterscheiden. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Anlageentschei- dungen und Investmentstrategien? 28 © Andrey Kiselev - stock.adobe.com

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