2 9 KAPITALANLAGEN nach dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000er-Jahre entwickelten sich die europäischen Märkte besser als die US-amerikanischen. In den vergangenen Monaten, insbesondere mit Blick auf die gewaltigen Kurssprünge einzelner US-Titel, gerieten die europäischen Märkte wieder verstärkt ins Visier der Investoren. Nicht nur bei den Large Caps, den großen Konzernen, sondern gerade auch im mittleren oder kleineren Börsensegment. Unter Bewertungsgesichtspunkten bieten sich laut Jupiter am europäischen Markt gute Möglichkeiten, kleinere Unternehmen zu einem attraktiven Kurs zu kaufen. Für die günstigen Bewertungen gebe es mehrere Gründe, so etwa die Sorgenfaktoren wie die italienische Staatsverschuldung oder die Frage nach dem Handeln der EZB. „In Europa und gerade in Deutschland gibt es viele internationale Marktführer, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen. Diese Unternehmen haben trotz der spezifischen Herausforderungen des Standortes weiterhin ein großes Potenzial“, so Dr. Carl Otto Schill, Fondsberater des Fonds Selection Value Partnership. Small und Mid Caps, die kleinen Brüder der Großkonzerne, sind in diesem Kontext ein gutes Stichwort. Denn hier könnten die europäischen Nachzügler 2024 zusätzlich punkten und positiv überraschen. Hidden Champions als Renditelieferanten „Die Zahl der deutschen Hidden Champions ist in den vergangenen Jahren auf mehr als 1.500 gewachsen, obwohl die Globalisierung insgesamt in diesem Zeitraum eher ins Stocken geraten ist. Bei den Hidden Champions handelt es sich meist um traditionsreiche Familienunternehmen, viele sind bereits über 100 Jahre am Markt. Die letzten Daten zeigen, dass auch in schwierigen Zeiten wie jetzt stark investiert wird, um auch in Zukunft gut aufgestellt zu sein“, wirft Justus Schirmacher, Portfoliomanager Equities Wealth and Asset Management, Berenberg ein. Small und Mid Caps, insb. in Europa, seien nach wie vor günstig bewertet und ein freundlicheres Zinsumfeld sollten ihnen zugutekommen. Unternehmen, die von einem Unternehmer oder einer Unternehmerfamilie maßgeblich beeinflusst würden, wären „aus unserer Sicht besonders attraktiv“, ergänzt Bellevue-Experte Heinz. Die positive Einschätzung zu Small und Mid Caps teilt auch Olgerd Eichler, Lead-Portfoliomanager bei MainFirst Asset Management. „In den vergangenen drei Jahren haben sich sowohl der MDAX als auch der SDAX rund 25 bis 30 Prozent schlechter entwickelt als der DAX. Das spiegelt die tatsächliche Geschäftsentwicklung in diesen Märkten nicht wider – in Wahrheit stehen viele kleine und mittelständische inhabergeführte Unternehmen exzellent da.“ Blickt man auf die Werte, so fällt die unglaubliche Fülle an interessanten Unternehmen auf. Rund 90 Prozent der Firmen zählen zu den Nebenwerten. Sie punkten damit, dass sie in Nischen unterwegs und/oder sogar Weltmarktführer in zukunftsträchtigen Industriezweigen sind. Die Geschäftstätigkeit ist vergleichsweise längerfristig ausgelegt. Bei der Auswahl von kleineren Unternehmen ist naturgemäß mehr Know-how gefragt. Denn die kleineren Titel sind tendenziell eher spekulativ, bieten dafür aber höhere Ertragschancen. Und im Gegensatz zu multinationalen Konzernen sind weniger Nebenwerte-Unternehmen gezwungen, aufgrund finanzieller Altlasten aufgenommenes Fremdkapital abzubauen. Das liefert ein weiteres gutes Stichwort. Die aktuelle geldpolitische Lage im Euroraum und die Aussicht auf mögliche Zinssenkungen würden Unternehmen ebenso zugutekommen wie ein stärkerer US-Dollar, der die Exporte der europäischen Industrie erleichtert. Und in diesem Atemzug dürften sich auch Aktionäre über ein Mehr an Ausschüttungen freuen. Sollten sich die Aussichten auf steigende Dividenden verfestigen, dürfte der Markt dies mit Kursgewinnen quittieren. Und diese Vorzeichen stehen nicht schlecht. 54,6 Mrd. Euro – das ist die Summe an Dividenden, die laut Berechnungen der Deka die 40 DAX-Unternehmen in diesem Jahr an ihre Aktionäre ausschütten. Rekord, und das, obwohl die Unternehmen im Schnitt im abgelaufenen Jahr etwas weniger verdient haben dürften als 2022. Nahezu zwei Drittel der im Börsenbarometer gelisteten Konzerne haben ihre Ausschüttungen für das vergangene Jahr erhöht. Lediglich drei DAX-Konzerne, namentlich Bayer, BMW und Fresenius, wollen laut Deka Kürzungen bei den Dividenden vornehmen. Chancenpotenzial begrenzt durch makroökonomische Lage Neben dem zugegebenermaßen vorhandenen Chancenpotenzial sind etwaige Risiken mit Blick auf europäische Aktien nicht auszublenden. Die weitaus überwiegende Zahl an Unternehmen, ob groß oder klein, agiert im globalen Umfeld. Tiefe Rezessionen in anderen Weltmärkten ziehen natürlich auch europäische Unternehmen in Mitleidenschaft. Angesichts hoher Inflation, geopolitischer Konflikte und anhaltender Unterbrechungen der Lieferketten sehen sich viele Regionen der Welt in den kommenden Jahren erneut einer unsicheren Wirtschaftsentwicklung gegenüber. Das ifo Institut hat die Zukunftsaussichten der Kontinente analysiert und zieht für Gesamteuropa ein gemischtes Fazit. Im europäischen Vergleich erwarten die jeweiligen Experten vor allem für Schweden (0,4 Prozent), Finnland (0,4 Prozent), das Vereinigte Königreich (0,5 Prozent) und für Deutschland (0,6 Prozent) geringe Wachstumsraten. Der einstmals darbende Süden sticht Mitteleuropa bzw. Teile des Nordens perspektivisch aus. Spanien und Griechenland, vor zehn Jahren noch die Sorgenkinder innerhalb der EU, geben sozusagen die Pace vor, und Kernländer wie Frankreich oder auch Deutschland haben relativ betrachtet das Nachsehen. Nicht grundlos ist die Thematik um Deutschland als „kranker Mann Europas“ in den vergangenen Monaten wieder hervorgekramt worden.
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