1 3 L E I T T H E M E N © PureSolution – stock.adobe.com Auffällig ist zweierlei: Zum einen der Kostenaspekt Provision/Honorar, den die EU-Kommissarin anders einzuordnen scheint, als er in der Realität ist. Kannte sie den Wert einer kundenindividuellen Beratung nicht oder wollte sie ihn nicht kennen? Und warum wurde bei ihren Rendite-Berechnungen offensichtlich nicht berücksichtigt, dass die Beratung gegen Honorar auch Geld kostet? Zum anderen soll in den Ländern mit Provisionsverbot, Niederlande und UK, alles besser sein, sprich kostengünstigere Produkte und gute Beratung. Dass Produkte ohne Beratungs- und Vermittlungskosten weniger kosten als Produkte, die diese beinhalten, ist allerdings keine erstaunliche Erkenntnis. Und von der guten Beratung profitieren nur wenige. Denn ein wichtiger Teil der Realität wurde offenbar gerne unter den Tisch gekehrt: Im Vereinigten Königreich führte die Einführung des Provisionsverbots 2013 zu einer erheblichen Beratungslücke. Dies geht aus den sog. „Retail Investments Product Sales Data“ hervor, einer statistischen Datenerhebung der britischen Aufsicht FCA (lesen Sie mehr zu den fatalen Auswirkungen in den insider-Ausgaben 03/2021 und 04/2022). Die „EU-Anreiz-Studie“ offenbart Argumente gegen ein Provisionsverbot Eigentlich sollte die von der EU-Kommission beauftragte und von Kantar Public erstellte Studie „Disclosure, inducements and suitability rules for retail investors study, Final report“ als Beweis für die Notwendigkeit eines Provisionsverbotes herhalten. Die Finanzmarkt-Kommissarin verwies jedenfalls auf „eine beträchtliche Menge an Beweismaterial”, das angeblich gravierende Nachteile der provisionsbasierten Beratung und Vermittlung belegen soll. Doch es stellte sich heraus, dass Kantar die Kostendifferenz bei Produkten mit Beratung bzw. ohne Provision um satte 40 Prozent zu hoch angegeben hatte. Zudem entlarvte die von „versicherungstip“ („vt“) vorgenommene tiefere Beleuchtung der 333 Seiten umfassenden Studie Ergebnisse, die für den Beibehalt einer qualifizierten Provisionsberatung sprechen. Bei einer Rede bzw. Anhörung am 24. Januar 2023 in Brüssel vertrat McGuinness die Auffassung: „Wir haben uns intensiv mit den Erfahrungen der Niederlande beschäftigt, die vor einigen Jahren ein Verbot von Zuwendungen eingeführt haben. Und in den Niederlanden führte dies zu einer Verlagerung hin zu günstigeren und vielfältigeren Produkten, was zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis für Privatanleger führte. Und insgesamt können wir sagen, dass das niederländische Provisionsverbot nicht zu einem Rückgang der Retail-Investitionen geführt hat – es gab sogar einen leichten Anstieg.“ Doch in den aktuellen Untersuchungen der Kommission steht genau das Gegenteil! In besagter Kantar-Studie heißt es (übersetzt ): „Die Niederlande, wo Anreize verboten sind, bilden eine Ausnahme, in der unabhängige Beratung tatsächlich häufiger vorkommt. Das bedeutet aber noch nicht, dass unabhängige Beratung in den Niederlanden leicht zugänglich ist. Sie ist oft wohlhabenderen Kunden vorbehalten oder mit einer Gebühr verbunden, die nicht jeder zu zahlen bereit ist. Die Mehrheit der Kunden wird nicht durch eine unabhängige Beratung bedient, sondern wird eher auf Produkte verwiesen, die nur über digitale Plattformen verkauft werden.“ Ignoriert: Argumente für Beibehaltung provisionsbasierter Beratung und Vermittlung Weitere Erkenntnisse der Studie „Im Vereinigten Königreich und in den Niederlanden hat sich der Zugang zur Beratung tatsächlich verschlechtert“ und „sich der Markt in Richtung reiner Ausführungsprodukte entwickelt.“ Erkenntnis Niederlande: „Kleinanleger investieren fast ausschließlich auf Ausführungsbasis, da Anreize verboten sind. Eine unabhängige Beratung ist bei einigen Versicherungs- und Rentenprodukten üblich, für die eine kostenpflichtige unabhängige Beratung vorgeschrieben ist. Eine unabhängige Beratung ist für wohlhabendere Anleger (über 75.000 Euro) möglich.“ Zur Gesamtsituation in der EU: „Es wird davon ausgegangen, dass die unabhängige Beratung weniger konfliktbehaftet wäre und infolge der Begrenzung der Anreize zunehmen würde“, lautet die Theorie, aber: „Die Studie findet jedoch keine Hinweise auf einen wachsenden Markt für unabhängige Beratung in den untersuchten Ländern.“
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