V E R S I C H E R U N G E N 4 4 © Ingo Bartussek – stock.adobe.com : Das klingt nach sehr viel Aufwand für die Versicherer. Haben diese hierfür eigene Abteilungen, die sich umfassend mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen? Glissmann: Dies hängt stark von der Größe des Versicherers und ggf. seiner Einbindung in einen Konzern ab. Hier gibt es meist übergreifende Fachabteilungen für das Thema, in vielen Fällen auch einen nach außen benannten Nachhaltigkeitsbeauftragten. Inhaltlich sind aber immer verschiedene Bereiche eines Versicherers mit Nachhaltigkeit befasst, da es bspw. um Produktentwicklung, Marketing, Rechts- und Steuerfragen, aber auch um Themen der Zeichnungspolitik und der Kapitalanlage geht, die dann organisatorisch zusammengeführt werden müssen. Man sieht aber bei vielen Versicherern, welche Einschätzung zum Thema Nachhaltigkeit vorherrscht. Wenn die Federführung im Bereich Compliance liegt, geht es häufig vor allem darum, den Versicherer vor rechtlichen Problemen zu schützen. Eine eigene konkrete Nachhaltigkeitsstrategie ist damit nicht zwingend verbunden. Ist das Thema direkt beim Vorstand angesiedelt und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet, kann dies bereits ein Indiz für eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie mit klaren Zielen und Verantwortlichkeiten sein. : Unterteilen wir die Versicherungen in Sach- und Lebensversicherungen: Welche Bausteine spielen z. B. bei „grünen“ Sachversicherungen eine Rolle? Glissmann: Wir als BINL sind keine Spezialisten für Sachversicherungen. Es ist aber offensichtlich, dass die Gesellschaften über ihre Zeichnungspolitik eine gewisse Steuerungsmöglichkeit haben. Wenn ein Sachversicherer die Kohleförderung, Produktionsanlagen für Waffen oder perspektivisch Autos mit Verbrennungsmotor nicht mehr versichern will, dann hat das erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Leben der Menschen. Im Extremfall kann dies bedeuten, dass ganze Wirtschaftszweige vor grundlegenden Umwälzungen oder gar vor dem Aus stehen. Eine solche Zeichnungspolitik steht dem Lebensversicherer nicht zur Verfügung. Einem Mitarbeiter eines Kohlekraftwerks den BU-Schutz zu verweigern, wäre ebenso diskriminierend wie bei einem Dieselfahrer. Die besondere Stärke des Lebensversicherers liegt vielmehr in seiner Eigenschaft als Kapitalanleger. Branchenweit sprechen wir hier von Kapitalanlagen in Milliardenhöhe. Wird hier etwa über die Neuanlage von Kundengeldern nach ESG-Kriterien entschieden, dann werden keine Rüstungs- oder Tabakaktien mehr für das Portfolio gekauft, ebenso wenig wie Anleihen von Staaten, die die Todesstrafe vollstrecken oder die Pressefreiheit einschränken. Indirekt wird dadurch auch ein finanzieller Druck entstehen, der zu Veränderungen führt. Für den Lebensversicherer kommen Anpassungen bei den Produkten und den Betriebsabläufen hinzu, gerade bei Letzteren wird der Einsatz von Energiesparlampen und Recyclingpapier nicht mehr ausreichen. : Stichwort Fondspolice: Wie gehen Lebensversicherer vor, um hier geeignete ESG-Produkte für das Anlageportfolio zu finden? Glissmann: Fondspolicen bieten sich aufgrund ihrer Gestaltungsmöglichkeiten als Basis für eine nachhaltige Altersvorsorge an. Allerdings sind auch hier einige Spielregeln zu beachten. Anfänglich genügte es einigen Anbietern, im Rahmen einer ohnehin bestehenden Fondspolice lediglich einen Fonds nach Art. 8 TVO [Taxonomie-Verordnung; Anm. d. Red.] anzubieten. Dies ist aus heutiger Sicht nicht mehr ausreichend, insbesondere vor dem Hintergrund der Greenwashing-Diskussionen in den Medien und bei Verbraucherschützern. Bei den Fondspolicen sind drei Bereiche zu unterscheiden: die Fondsanlage während und nach der Ansparphase, die Fondsanlage zur Garantieproduktion und das Sicherungsvermögen des Lebensversicherers. : Auf welche Faktoren gilt es zu achten? Glissmann: Bei der reinen Fondspolice ohne Garantie steht naturgemäß die Fondsauswahl im Vordergrund. Hier empfehlen wir eine klar definierte eigene Strategie des
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