BCA insider 03_2022
Tristesse überall? Nein, Selektion und den Fokus auf Qualität zu legen, spie- len für den langfristigen Anleger die entscheidende Rolle. Denn trotz der Schwankungen könnten Aktien eine der rationalsten und attraktivsten Antworten für langfristig orientierte Investoren auf die aktuelle Situation bleiben. Europa hechelt USA weiter hinterher Investoren, die in den vergangenen Jahren an den internationalen Märk- ten aktiv waren, schauten insbeson- dere in die USA. Dort ging die Post ab. Tech-Werte haussierten und eine wachsende Wirtschaft, die ihr euro- päisches Pendant in die Schranken wies, sorgte für ein gutes Börsen- klima. 2022 ist alles anders. Tech- Aktien gehören angesichts steigen- der Zinsen zu den größten Verlierern des Jahres. Die Inflation hat sich nicht als vorübergehendes Phänomen er- wiesen, sie verstetigt sich. Und in den Vereinigten Staaten kommt eine Lohn-Preis-Spirale hinzu. Goodbye USA, willkommen Europa? So einfach ist die Antwort dann doch nicht. Denn der Ukraine-Krieg hat besonders europäische Aktien auf Talfahrt geschickt. Viele Aktien sind günstig, keine Frage. Und „noch“ liefern die Konzerne weiter Umsatz und Gewinn. Matthias Hoppe, Port- foliomanager bei Franklin Templeton Investment Solutions, argumentiert: „Nehmen wir die Gewinnsaison für das erste Quartal in Europa: Ober- flächlich betrachtet waren das beein- druckende Ergebnisse. Ein genauerer Blick zeigt aber, dass die Erwartun- gen für die künftigen Gewinne pro Aktie durch den Energie- und den Materialsektor verzerrt sind. Zudem wird die Lage in Europa auch davon abhängen, was mit dem Absatzmarkt China passiert. Die Null-Covid-Stra- tegie ist eine Bremse für die Wirt- schaft – sowohl in China als auch in Europa. In einer relativen Betrachtung bevorzugen wir deshalb weiterhin US-Aktien, auch weil die Vereinigten Staaten nicht abhängig sind von rus- sischer Energie und anders als Euro- pa weniger abhängig von Exporten.“ Carsten Gerlinger, Managing Direc- tor und Head of Asset Management bei Moventum AM, verweist in die- sem Zusammenhang auf die nach wie vor höhere Bewertung des US-Akti- enmarkts und den hohen Anteil von Industrie und Zyklikern im europäi- schen Aktienmarkt, sieht jedoch auch keine nachhaltige Abkopplungsphase zugunsten von Europa. „Daher bleibt der US-Aktienmarkt das Nonplusul- tra“, so Gerlinger. Und FvS-Vorstand Flossbach gibt mit auf den Weg, im Zweifel nicht in Regionen, sondern in Geschäftsmodellen zu denken. Dieser Aspekt scheint zwar trivial, aber doch sehr ratsam zu sein. Denn eben in Krisensituationen kristallisieren sich die Gewinner von morgen heraus. Aktienauswahl und Absicherung sind Handelsmaxime Qualität und Stock Picking sind die entscheidenden Schlagwörter, um auch künftig an den Märkten Rendi- te einzufahren. Und diese Werte sind sowohl bei den lange Zeit boomen- den Tech-Aktien als auch in anderen Sektoren wie beispielsweise Finan- zen oder Gesundheit zu finden. Das Geschäftsmodell sollte überzeugen, dann übersteht es auch manchen Börsensturm. Natürlich überlagern weltwirtschaftliche/makroökonomi- sche Entwicklungen die Aktienmärkte auf der Welt. Und hierbei sind die Au- gen auf China gerichtet. Zuletzt gab es einige ermutigende Signale aus der chinesischen Wirtschaft. Indust- rie und Investitionen wuchsen stärker als erwartet. Dennoch hängen Coro- na und mögliche Lockdowns wie ein Damoklesschwert über dem Land. Eines ist jedoch sicher: Die chinesi- sche Regierung wird beim Parteitag im Spätherbst alles tun, um einem Wirtschaftsabschwung entgegen- zuwirken. Und sie hat die Option der Zinssenkung – anders als in vie- len anderen Teilen der Welt. „Chinas Wachstum wird im Vergleich zur His- torie zwar enttäuschen, aber das ist schon zum großen Teil eingepreist. Die Bewertungen sind entsprechend niedrig. Zudem steigt die Geldmen- ge, während das nominale Bruttoin- landsprodukt sinkt – und diese Über- schussliquidität ist in der Regel gut für Aktien“, folgert Portfoliomanager Hoppe mit Blick auf das Land. Wie lautet die Schlussfolgerung? Nach ununterbrochenen Jahren der Aufwärtsbewegung ist nun Sand im Getriebe. Die Inflation beglei- tet uns länger, hinzu kommen Krieg und Lieferengpässe. Dennoch ist es ratsam, sich nicht vom Aktienmarkt zu verabschieden. Aktives Manage- ment könnte künftig seine Vorteile dezidiert ausspielen. Gut aufgestell- te Unternehmen werden dem Sturm trotzen. Gehypte Firmen haben eher das Nachsehen. Absicherung und entsprechende Investmentlösungen (Stichworte: Volatilität, Long/Short) sind in diesen Zeiten auch mehr denn je einen Blick wert. R U N D U M K A P I TA L A N L A G E N A S S E T S & I N V E S T M E N T S 2 5 VDAX-New Volatilitätsindex Diff. % 1 Woche 1 Monat 3 Monate 1 Jahr Performance +4,52 % −3,70 % +18,46 % −14,19 % +46,06 % Hoch 27,26 29,11 31,33 35,34 48,62 Tief 26,56 25,67 20,92 20,92 15,00 Quelle: www.comdirect.de, Abruf am 29.06.2022 © alivepix – stock.adobe.com
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