insider 01/22

gleichbleibender Nachfrage die bestimmende Rolle überneh- men. Dieser sog. Kapazitätseffekt kann die Inflation signifikant nach oben treiben, ist aber mittelfristig meist lösbar. Aktuell ist dies tatsächlich der Hauptauslöser für die inflationären Ten- denzen. 3. Qualität des Zentralbankgeldes: Ein weiterer Inflations- grund kann in der Zentralbankbilanz liegen. Solange das neu ausgegebene Geld gedeckt ist, entsteht kein Inflationsdruck. Das ändert sich aber, sobald keine adäquaten Gegenposi- tionen bestehen. Dann beginnt das Vertrauen im Markt zu schwinden – langsam, aber sicher. EZB: Sondereffekte herrschen vor Mit Blick auf die Entwicklung wiegelt die EZB weiterhin ab und teilt wiederholt mit, dass die aktuell hohe Inflation ledig- lich das Ergebnis bestimmter Sondereffekte sei und somit kein weiterer Inflationsdruck bestehe. Doch über welche Sonder- effekte sprechen wir und was bedeuten sie für die zukünftige Entwicklung des Preisniveaus? 1. Mehrwertsteuer: Ein Sondereffekt ist die Mehrwertsteuer. Sie wurde im Zuge der Coronahilfen zeitlich begrenzt gesenkt, um die Nachfrage zu erhöhen. Mittlerweile liegt sie wieder auf dem ursprünglichen Niveau, was zu Preissteigerungen in der jüngsten Vergangenheit beigetragen hat. 2. Nachholeffekte: Lockdowns schränken die Bewegungs- freiheit, womit auch Konsumausgaben sinken. Wie stark die- se tatsächlich gesunken sind, lässt sich schwer konkretisieren, zumal ein Teil des Konsums in die Online-Welt verlagert wur- de. Fakt ist aber, dass ein Teil des Konsumrückgangs im Jahr 2020 dieses Jahr wieder kompensiert wurde. 3. Energiepreise: Die Nachfrage nach Erdöl ist 2020 gesun- ken. Die Folge davon war, dass Förderungen zurückgefahren wurden. Jetzt, wo die Nachfrage wieder gestiegen ist, kön- nen Förderkapazitäten jedoch nicht einfach stante pede über Nacht erhöht werden. Das benötigt Zeit und führt zu steigen- den Preisen. Dieses Phänomen ist bekannt als „Schweine- zyklus“, der im 19. Jahrhundert zum ersten Mal beschrieben wurde: Sank die Nachfrage nach Schweinefleisch, wurden weniger Schweine gezüchtet. Dann aber war das Angebot im Folgejahr knapp und die Preise stiegen. Die Produktionskapa- zitäten konnten aber nicht über Nacht erhöht werden. Dieser Effekt kann jetzt auf dem Energiemarkt beobachtet werden und es kann davon ausgegangen werden, dass die Ölpreise wieder sinken werden. 4. CO 2 -Bepreisung: Aus klimapolitischen Gründen wurde eine CO 2 -Bepreisung eingeführt. Die Konsequenz ist logisch: Produktionsverfahren lassen sich nicht sofort in diesem Sinne optimieren, sodass steigende Produktionskosten kurzfristig damit verbunden sind. 29 Was bedeutet das nun für die aktuelle Situation? Sind die dar- gelegten Effekte nur temporär? Die gerne zitierten Sonderef- fekte sollten keine langfristige Auswirkung haben. Und auch die Problematik bei den Lieferketten kann sicherlich 2022 ge- löst werden. Im Ergebnis sollte sich die Preissteigerungsrate wieder auf einem „üblichen“ und von der EZB gewünschten Niveau von „um die 2 Prozent“ einpendeln. Gefahr! Diesbezüglich diskutieren zahlreiche Wirtschaftsteilnehmer als auch Währungshüter bereits die aktuelle Situation, um die rich- tigen Entscheidungen zu treffen. Zeitnahe Anpassungen sind wichtig, ansonsten droht der sog. „Ketchup-Effekt“: Schüttelt man eine Ketchup-Flasche, so passiert zunächst einmal gar nichts. Aber irgendwann fängt der Ketchup dann doch an zu fließen – möglicherweise in einer deutlich größeren Menge als gewünscht. Bezogen auf die Inflation bedeutet das: Solange Wirtschaftsteilnehmer die Preissteigerung nicht als Problem ansehen, passiert nicht viel. Sobald aber ein Wert überschritten wird, beginnen sie, ihr Verhalten zu ändern, bspw. indem mehr Geld ausgegeben wird, was wiederum zu steigenden Preisen führt. Im Ergebnis tritt ein sich selbst verstärkender Effekt ein, gegen den – vor demHintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation – die EZB nur schwerlich effektive Mittel finden könnte. Fazit: Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass sich die Inflation in den kommenden Jahren auf einem hohen Niveau festsetzt. Dennoch überwiegen die Argumente für ein Zurückkehren zur Normalität. Was auch immer Normalität in diesem Kontext be- deutet, Anleger und Investoren können sich durch eine strate- gische Ausrichtung ihres Portfolios gegen realen Wertverlust schützen. Den besten Schutz vor Inflation (zumindest wennwir von moderater Inflation sprechen und nicht von Hyperinflation) bieten Aktien. Und zwar solche von großen Unternehmen, da diese eine gewisse Marktmacht haben. Sie sind in der Lage, bspw. steigende Rohstoff- und Produktionspreise direkt über den Preis weiterzugeben. Dadurch halten sie ihre Gewinnmar- gen hoch, sorgen für steigende Kurse und können auch Divi- denden auszahlen. Kurzum: Mit einem breit gestreuten Depot aus hervorragenden Aktien, erstklassigen Unternehmensan- leihen sowie Gold, Rohstoffen und Immobilien können Anleger der Inflation relativ gelassen entgegensehen. << © picsfive - stock.adobe.com

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