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© cherryka - stock.adobe.com 42 In der betrieblichen Altersversorgung (bAV) steht ein Paradigmen- wechsel an. Im anhaltenden Niedrigzinsumfeld schiebt die Senkung des Höchstrechnungszinses ab 2022 die Beitragszusage mit Min- destleistung (BZML) ins Abseits – und bringt die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) ins Spiel. Bei der Umwandlung gibt es eini- ge Fallstricke zu beachten. Zu einer auskömmlichen Betriebsrente gibt es aber keine Alternative, gerade bei erhöhter Inflation. ie betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein kom- plexes Terrain. Das zeigt sich nicht allein an den un- terschiedlichen Durchführungswegen. Um die Zusa- gearten richtig anzuwenden, reicht der Blick ins Gesetzbuch nicht aus. Erst wenn auch die Rechtsprechung berücksichtigt wird, können die Regelungen rechts- und haftungssicher umgesetzt werden. Der Haken an der Sache: Manche In- halte bleiben ein Stück weit interpretationsfähig, wie bAV- Experten unumwunden zugeben. So ist es auch bei einer Fragestellung, die manche Makler aktuell verunsichert: Kön- nen Versorgungsordnungen und Betriebsvereinbarungen bei versicherungsförmigen Durchführungswegen auf Basis einer Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in eine beitrags- orientierte Leistungszusage (BOLZ) mit abgespeckten Garan- tien umgewandelt werden? Zur Einordnung Die BZML verlangt zwingend eine 100-prozentige Bruttobei- tragsgarantie abzüglich etwaiger Risikoprämien. Bei der mit dem bislang unbeliebten Sozialpartnermodell erstmals ein- geführten reinen Beitragszusage sind Garantien hingegen ausdrücklich untersagt. Dazwischen ordnet sich sozusagen die BOLZ ein, die eine Kapitalgarantie weder vorschreibt noch verbietet. „Eine BZML wird aber nicht dadurch zur BOLZ, dass man sie so tituliert“, merkt der Rechtsanwalt Dr. Uwe Langohr-Plato an. Welche Voraussetzungen müssen also für dieses Vorhaben erfüllt sein? Laut § 1 des Betriebsrentengesetzes verpflichtet sich der Arbeitgeber bei einer BOLZ, bestimmte Beiträge in eine An- wartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hin- terbliebenenversorgung umzuwandeln. „Der Gesetzgeber verlangt also keine Mindest- höhe“, bestätigt Christian Willms , Vorstand der ConceptIF Pensions AG und des Vereins Deutsche Unterstützungskasse, verweist aber auf drei Grundlagen, die das Bundesarbeitsge- richt (BAG) in seinem „Casino“-Urteil von 2016 festgelegt hat. Erstens muss es einen direkten Zu- sammenhang zwischen der Höhe der Rentenleistung und dem Betrag geben, der zur Ausfinanzierung der Ver- sorgungszusage aufgewendet wird. „Zweitens muss zum Zeitpunkt der Zusageerteilung die Höhe der Versorgungsleis- tung zum Rentenbeginn unmittelbar feststehen“, sagt Willms. Drittens müsse zu jedem Zeitpunkt ermittelt werden können, wie hoch die bisher erdiente Anwartschaft tatsächlich ist. Entgeltumwandlungen müssen wertgleich sein Bereits 2009 hatten die Bundesarbeitsrichter in ihrem „Zill- merungsurteil“ zwei Leitplanken in Sachen Störfälle und Wertgleichheit der BOLZ gezogen. „Demnach muss für die von Beschäftigten geleisteten Beiträge eine Rentenleistung erbracht werden, die nach wirtschaftlichen Maßstäben mög- lich ist und alle versicherungsrechtlichen Vorgaben einhält. Das ist ein klarer Beleg für die hohe Relevanz des Kapital- marktumfelds bei der Gestaltung von Versorgungszusagen und speziell bei der BOLZ“, führt Erika Biedlingmeier , Abtei- lungsleiterin Kundenlösungen und Grundsatzfragen bei der Allianz Lebensversicherung aus. Auf die Frage, inwieweit hier zwischen arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierten Zusa- gen zu differenzieren ist, antwortet die bAV-Expertin: „Eine Entgeltumwandlung muss wertgleich sein – diese Anforde- rung macht der Gesetzgeber bei einer arbeitgeberfinanzier- ten Versorgung nicht.“ Bei den wirtschaftlichen und versicherungsrechtlichen Vor- gaben hat sich jedoch die Lage deutlich verändert und mit der Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Pro- zent ab 2022 massiv zugespitzt. Denn künftig würde es nach Berechnungen der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) bei herkömmlichem Kostenansatz über 100 Jahre dauern, bis eine garantierte Leistung in Höhe der eingezahlten Beiträge erreicht wird. So rechnet man nicht nur bei Lurse Pension & Benefits Consulting damit, dass es ab 2023 voraussichtlich keinen Versicherer mehr geben wird, der eine Versorgungs- zusage auf Basis einer BZML versichert. Bruttobeitragsgarantie fördert langfristig reale Wertverluste Für die Beratungspraxis ist aber ein anderer Punkt noch ent- scheidender: Eine 100-prozentige Beitragsgarantie verhin- dert einen rentierlichen Kapitalaufbau, weil das eingezahlte Geld nahezu vollständig in niedrig verzinste Anlagen wie An- leihen investiert werden muss, um die Bruttobeitragsgarantie

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