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43 Kay Schelauske Freiberuflicher Finanzjournalist und Buchautor Diplom-Volkswirt E-Mail: Kay.Schelauske@t-online.de Telefon: +49 5607 2839850 sicherzustellen. „Die hohe Garantie suggeriert bei niedrigen Zinsen aber eine Scheinsicherheit. Das eigentliche Risiko ist, dass aufgrund der niedrigst verzinslichen Anlagen über die langen Anlagezeiträume die Inflation nicht ausgeglichen werden kann“, erläutert Dr. Henriette Meissner , Geschäfts- führerin der Stuttgarter Vorsorge-Management und bAV- Generalbevollmächtigte der Stuttgarter Lebensversicherung. Erst andersherum wird also ein passender Schuh daraus: Wird bei reduzierten Garantien stärker in Aktien investiert, erhöht sich die Sicherheit langfristig, weil die erzielte Rendite die Inflation auf Dauer ausgleichen kann – und das gilt erst recht bei vergleichsweise höheren Inflationsraten, wie wir sie aktuell erleben. „Der Kunde muss auch über die Risiken einer 100-Prozent-Garantie im Niedrigzinsumfeld informiert wer- den“, betont die bAV-Expertin der Stuttgarter und empfiehlt Maklern einen Blick in eine aktuelle ifa-Studie. Die Verfasser zeigen auf, wie sich verschieden hohe Garantien bei unter- schiedlichen Kapitalmarktszenarien auf die reale, bei Renten- beginn garantierte Rente auswirken (siehe Infografik). „Eine 100-prozentige Beitragsgarantie wäre zwar wün- schenswert, aber auch das Arbeitsrecht kann wirtschaftliche Rahmenbedingungen nicht negieren“, bestätigt Langohr- Plato und verweist auf das rechtliche Kriterium der „Unmög- lichkeit“ in § 275 Abs. 1 BGB. Dort sei ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen ist, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Der bAV-Kenner gibt aber mit Blick auf den Paragrafen zu bedenken, dass dieser nur vor der Haftung für eine unmögli- che Leistung schützt. Arbeitgeber seien damit auch unter Be- rücksichtigung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Beschäftigten verpflichtet, eine Versicherung auszuwählen, die auf Basis des versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzips und unter Verwendung angemessener, branchenüblicher Rech- nungsgrundlagen kalkuliert worden ist. „Derzeit pendeln sich in der Branche Beitragsgarantien bei 80 bis 90 Prozent ein. Dies halte ich angesichts des aktuellen Zinsniveaus für an- gemessen und aktuell auch für rechtlich akzeptabel“, sagt der Rechtsanwalt und fügt hinzu: „Alles, was darunter liegt, ist dagegen mit rechtlichen Risiken behaftet, zumal eine höhere Beitragsgarantie ja aktuell nicht unmöglich ist.“ Zusagekomponenten beachten Was sogenannte Störfälle betrifft, hat das BAG vorgegeben, dass eine „ange- messene Leistung weiter zur Verfügung stehen muss“, erklärt Meissner. Lang- ohr-Plato sieht in diesem Bereich das Hauptproblem bei der Gestaltung von Versicherungsverträgen, die zur Finan- zierung einer BOLZ dienen sollen: „Vie- le Versicherungsbedingungen sind nur darauf ausgelegt, die zugesagte Alters- versorgung BOLZ-konform zu gestalten. Die BOLZ ist aber mehr, sie umfasst die gesamte Zusage des Arbeitgebers mit ihren einzelnen Zusagekomponenten.“ So müsse auch in Störfällen eine garantier- te Mindestleistung vorhanden sein, ganz egal, ob es sich um eine insolvenzbeding- te Beitragsfreistellung oder den Hinter- bliebenenschutz imTodesfall handelt. Der bAV-Kenner betont: „Hierauf wird in der Praxis aktuell noch zu wenig geachtet.“ Willms verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2008 zur Werthaltigkeit eines Rentenversiche- rungsvertrags: „Demnach müssen mindestens 50 Prozent der Bruttobeiträge als Anwartschaft zum Rentenbeginn zur Verfügung stehen, egal was passiert.“ Und Meissner betont unter Hinweis auf die europäische Richtlinienauslegung des EuGH: „Dabei spielt es keine Rolle, ob die Anwartschaften durch Arbeitgeber oder Beschäftigte finanziert wurden und ob sie nach deutschem Recht noch verfallbar sind.“ <<

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