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54 © Rudzhan - stock.adobe.com Was Sie unbewusst immer mitverkaufen Wer sich für einen freien Finanzbera- ter entscheidet, entscheidet sich für eine unabhängige Beratung, für eine persönliche Vertrauensbasis und eine permanente Betreuung. Diese Anforde- rungen müssen nicht immer offen arti- kuliert werden, sie stehen aber immer im Raum. Dem Kunden gegenüber sind Sie als Berater, zumindest aus Sicht des Kunden, immer in der Bringschuld. Vor diesem Hintergrund sind folgen- de Aspekte in jeder Beratung von ent- scheidender Bedeutung: Welche Erfah- rungen hat der Kunde pro Assetklasse wirklich gemacht? Wie lange soll die Anlage laufen? Was ist der Zweck der Anlage und könnten weitere Zwecke bestehen? In der Regel geben Kunden nur einen Hauptzweck an, gerade dann gilt es aber zu konkretisieren: Ist es wirklich nur die Altersversorgung? Was ist mit der Ausbildung der Kinder? Sind Einmalbei- träge oder Sparpläne möglich? Kann der Kunde auf das Basisinvestment „ver- zichten“? Denn keine Regel ohne Aus- nahme: Das Basisinvestment sichert zwar die Grundrendite der Anlage und muss insofern der realen Risikoneigung des Kunden entsprechen. Wenn also der Kunde nur maximal zehn Prozent Verlust verkraftet, muss das Basisin- vestment dem Rechnung tragen. Mit zunehmender Anlagedauer, relativiert sich aber der Schwankungseinfluss auf das Ergebnis. Deshalb sind über lange Zeiträume auch mehr als zehn Prozent denkbar, da sich die Schwankungen über die Laufzeit ausgleichen können. Im Grunde verkaufen Sie ein Fürsorgeversprechen Der Kunde lässt sich persönlich beraten, weil er über die persönliche Beziehung Verantwortung delegieren kann. Es ist sein Portfolio, er unterschreibt, aber aus seiner Sicht tragen Sie die moralische Verantwortung. Vor seiner moralischen Instanz hat der Kunde immer recht, auch wenn Gerichte manchmal anders urteilen. Daraus erfolgt der Auftrag, die Kundeninteressen als Teil der eigenen Stellen Sie Fragen, die ehrliches Interesse am Kunden und seiner Situation dokumentieren; verzichten Sie auf Fachjargon, Sie führen ein Kundengespräch, keinen Expertendialog. Entwickeln Sie eine saubere Herleitung des Kundenbedarfs und ermitteln Sie die reale Risikoneigung des Kunden. Bleiben Sie immer in Kontakt! Auch wenn es schwerfällt, auch wenn die Börsen unruhig sind: der Kunde zahlt für kompetente Allwetterberatung, nicht für eitel Sonnenschein-Advice. Interessen im Auge zu behalten. Die Methode: Information und Transparenz. Informieren Sie den Kunden regelmäßig – nicht bloß anlassbezogen – über die Entwicklung in seinem Portfolio, ma- chen Sie Chancen und Risiken kenntlich und geben Sie transparent Ihre Ein- schätzung ab. Das ist keine Garantie für eine sky breaking Performance, die im Übrigen auch nicht in Ihren Auf- gabenbereich fällt, wohl aber die Ge- währleistung dafür, dass der Kunde mit Ihrer Beratung zufrieden sein kann. Ein Kennzeichen der guten Beratung be- steht darin, den Unterschied zwischen Portfolioperformance und Beratungs- qualität kenntlich zu machen. Portfolio- und Kundenmanagement – die Basics Aktuell sind in Deutschland mehr als 14.000 Investmentfonds mit über 3.850 Mrd. Euro Volumen handelbar, Tendenz steigend. Fonds reflektieren immer auch gesellschaftliche Strömungen. Gerade zu sehen an ESG, Nachhaltigkeitsfonds und grünen Investments. Die Beratung über Themenfonds ist einfach, kann aber gefährlich werden. Beispiel: Der Kunde will nur sauber, grün oder nach- haltig investiert sein. Selbst wenn wir nicht über Greenwashing, EU-Taxono- mie (Skeptiker behaupten, beides sei eins) und ESG philosophieren, lauern hier Probleme. Denn in der Praxis zeigt sich oft eine Form der Scheindiversi- fikation. Der Kunde hat verschiedene Fonds, die aber bezüglich der Top-Posi- tionen nahezu identisch sind. Das heißt, auf der zweiten Betrachtungsebene bil- det die Beratung über Themen schnell ein Klumpenrisiko, das sich gutes Port- Die Standardfragen sind das Rüstzeug für die individuelle Beratung. Anders formuliert: Wir benutzen alle, je nach Zählweise, dieselben 26, 27, 30 Buchstaben. Trotzdem sprechen wir nicht unbedingt dieselbe Sprache. Was ich sagen will: Die Pflicht ist die Grundlage für die Kür. Nur wenn ich am Anfang sauber arbeite, kann ich am Ende glänzen. Fragen Sie deshalb genau, nicht nur im Sinne der Risikoprüfungund Geeignetheit, sondern besonders für Ihr Kundenverständnis und die spätere Beratung. Pauschal gesprochen: Die Risikokennzahl ist ein technisches Detail, das Sie ermitteln müssen, das Ihnen im Grunde aber egal sein kann. Wo das System eine Ziffer angibt, müssen Sie einen Menschen und seinen Beratungsbedarf erkennen.

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