insider_02_2022

>> Die Stunde der Berater – was jetzt zu tun übrig bleibt << Angesichts der aktuellen Nachrichtenlage sind Kunden wie Berater noch stark in den Meldungen des Tages verhaftet; das Kriegsgeschehen und einzelne Wirtschaftsmeldungen stehen im Vordergrund. Perspektivisch muss die Frage lau - ten: Was bedeutet das alles auf der individuellen Ebene der Anleger, was bedeutet es für die langfristige Entwicklung des Portfolios? Jenseits aktueller Eindrücke muss die Frage erlaubt sein, was die unabhängige Beratung dem angekündigten Wohlstands - verlust entgegensetzen kann. Bei einer Inflation von 8 Pro - zent sind 6 Prozent Rendite definitiv zu wenig. Finanzberater müssen das politische Versprechen des Wohlstandsverlusts von sich weisen. Natürlich ist die Aussage „Wir werden alle ärmer“ ein Persilschein für schlechter laufende Portfolios. Das kann aber nicht der Anspruch der professionellen Be - ratung sein. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist schlechter, als sie sein müsste. Wenn Finanzberater Portfolios strukturieren würden, wie Politiker den deutschen Energiemix, stünden sie mit einemBein in der Beratungshaftung. Gute Finanzberatung muss darauf abzielen, Wohlstandsverluste durch intelligente Diversifikation und kluges Portfoliomanagement abzufedern oder bestenfalls umzudrehen. Dazu gehört auch, das Wort von der Zeitenwende ernst zu nehmen, beginnend mit der Frage der Risikoprofilierung. Vor dem Hintergrund billigen Geldes und boomender Börsen, die - ses Szenario haben wir gerade hinter uns, fällt der individuelle Risikoappetit möglicherweise geringer aus als mit der Aus - sicht auf zweistellige Inflationsraten – dieses Szenario haben wir jetzt vor uns. Das bedeutet nicht, den Kunden ins Risiko zu drängen, wohl aber, ihm zu erklären, was die aktuelle Ri - sikoklassifizierung im Hinblick auf Renditeerwartungen und Inflation bedeutet. So erfordert das Marktgeschehen im Grunde eine Portfolio - analyse auf Einzelkundenbasis. Im Umfeld dauerhaft niedriger Zinsen, wenn billiges (Zentralbank-)Geld die Märkte flutet, ist es leicht, oberhalb der Benchmark zu schwimmen bzw. eine Rendite von 5 bis 7 Prozent zu erzielen. Aber auch das hat sich mit der Zeitenwende geändert. Gerade jetzt gilt es, für den Kunden Ineffizienzen aus dem Portfolio zu nehmen, Kor - relationen zu erkennen und die Asset-Allokation gegen Krisen abzusichern. Wichtig dabei ist, die Diversifikation über alle Betrachtungsebenen zu ziehen. Die reine Anzahl der Fonds oder Aktien alleine sagt noch nichts über den Grad der Di - versifikation aus. Schwierig sind auch korrelierte Titel, die ge - meinsam steigen oder fallen; eine hohe Anzahl von korrelier - ten Einzeltiteln ist sogar doppelt ärgerlich, weil sie das Risiko nicht reduzieren, die Kostenstrukturen aber vermehren. Eine weitere Gefahr sind Portfolios, die zwar initial klug austariert waren, die aber im Lauf der Zeit aufgrund von ungleichen Zu - gewinnen bei fehlendem Rebalancing aus dem Gleichgewicht gekommen sind, und somit der ursprünglichen Intention zu - wider laufen können. Kurz gesagt: Es gibt kaum ein Portfolio, das nicht optimiert werden könnte. >> Die Vermögensverwaltung als Beraterbooster << In der Praxis zeigt sich, dass es kaum möglich ist, jedes Port - folio individuell anzupassen. Gespräche belegen, dass oppor - tunistische Wechsel an der Tagesordnung sind. So meldeten sich Kunden nach der Zeitenwendenrede von Olaf Scholz ak - tiv, um in Rüstungswerte zu investieren. Ein typisches Muster: Kunden tauschen Fonds und Aktien, die sinken, gegen solche, die stabil sind oder steigen – bedeutet, sie verhalten sich strikt zyklisch. Wie der einzelne Trade sich auf das Gesamtportfolio auswirkt, bleibt meistens unbeachtet. Dabei wäre es gerade vor dem Hintergrund hoher Volatilität, großer Unsicherheit und einem langfristigen Anlagehorizont wichtig, Entschei - dungen auf Basis der Analyse des Gesamtportfolios zu tref - fen, anstatt sie von der Performance einzelner Titel abhängig zu machen. Schon für Berater mit einem Kundenstamm im niedrigen dreistelligen Bereich ist es nahezu unmöglich, in Zeiten des Umbruchs jedes einzelne Portfolio genau zu analysieren. Wer hier effizient und effektiv unterwegs sein will, muss sich mit der Idee einer eigenen Vermögensverwaltungsstrategie aus- einandersetzen. So ist es möglich, einzelne Strategien, auch in verschiedenen Risikoausprägungen, gründlich und ge - wissenhaft zu managen, aber nahezu unmöglich, zwischen drei- und fünfhundert Portfolios nahezu zeitgleich neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Ganz abgesehen von den Service- und Verwaltungsaspekten wie Fondsresearch, Be - ratungsgespräch, -dokumentation und Unterschriftenjagd. Daraus folgt: Ab einer gewissen Anzahl von Kunden ist die eigene Vermögensverwaltung ein absolut notwendiger Pro - fessionalisierungsschritt für Finanzprofis – und ein effizientes Werkzeug wider den Wohlstandsverlust von Kunden. << 31 Marc Sattler Vorstand BfV Bank für Vermögen AG E-Mail: marc.sattler@bfv-ag.de Telefon: +49 6171 9150-535

RkJQdWJsaXNoZXIy MTA1Mzk2Nw==